sey. Diese letzte Meynung drang durch und das Haus war gefüllt. Die Schauspieler spielten mit seltenem Feuer und mit mehr leidenschaftlicher Freyheit als das erstemal. Die Zuschauer, deren Gefühl durch die schreck¬ liche nächtliche Scene erhöht, und durch die Langeweile eines zerstreuten und verdorbenen Tages noch mehr auf eine interessante Un¬ terhaltung gespannt war, hatten mehr Em¬ pfänglichkeit für das Außerordentliche. Der größte Theil waren neue, durch den Ruf des Stücks herbeygezogene Zuschauer, die keine Vergleichung mit dem ersten Abend anstellen konnten. Der Polterer spielte ganz im Sin¬ ne des unbekannten Geistes, und der Pedant hatte seinem Vorgänger gleichfalls gut auf¬ gepaßt, darneben kam ihm seine Erbärmlich¬ keit sehr zu statten, daß ihm Hamlet wirk¬ lich nicht Unrecht that, wenn er ihn, trotz seines Purpurmantels und Hermelinkragens,
ſey. Dieſe letzte Meynung drang durch und das Haus war gefüllt. Die Schauſpieler ſpielten mit ſeltenem Feuer und mit mehr leidenſchaftlicher Freyheit als das erſtemal. Die Zuſchauer, deren Gefühl durch die ſchreck¬ liche nächtliche Scene erhöht, und durch die Langeweile eines zerſtreuten und verdorbenen Tages noch mehr auf eine intereſſante Un¬ terhaltung geſpannt war, hatten mehr Em¬ pfänglichkeit für das Außerordentliche. Der größte Theil waren neue, durch den Ruf des Stücks herbeygezogene Zuſchauer, die keine Vergleichung mit dem erſten Abend anſtellen konnten. Der Polterer ſpielte ganz im Sin¬ ne des unbekannten Geiſtes, und der Pedant hatte ſeinem Vorgänger gleichfalls gut auf¬ gepaßt, darneben kam ihm ſeine Erbärmlich¬ keit ſehr zu ſtatten, daß ihm Hamlet wirk¬ lich nicht Unrecht that, wenn er ihn, trotz ſeines Purpurmantels und Hermelinkragens,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0147"n="141"/>ſey. Dieſe letzte Meynung drang durch und<lb/>
das Haus war gefüllt. Die Schauſpieler<lb/>ſpielten mit ſeltenem Feuer und mit mehr<lb/>
leidenſchaftlicher Freyheit als das erſtemal.<lb/>
Die Zuſchauer, deren Gefühl durch die ſchreck¬<lb/>
liche nächtliche Scene erhöht, und durch die<lb/>
Langeweile eines zerſtreuten und verdorbenen<lb/>
Tages noch mehr auf eine intereſſante Un¬<lb/>
terhaltung geſpannt war, hatten mehr Em¬<lb/>
pfänglichkeit für das Außerordentliche. Der<lb/>
größte Theil waren neue, durch den Ruf des<lb/>
Stücks herbeygezogene Zuſchauer, die keine<lb/>
Vergleichung mit dem erſten Abend anſtellen<lb/>
konnten. Der Polterer ſpielte ganz im Sin¬<lb/>
ne des unbekannten Geiſtes, und der Pedant<lb/>
hatte ſeinem Vorgänger gleichfalls gut auf¬<lb/>
gepaßt, darneben kam ihm ſeine Erbärmlich¬<lb/>
keit ſehr zu ſtatten, daß ihm Hamlet wirk¬<lb/>
lich nicht Unrecht that, wenn er ihn, trotz<lb/>ſeines Purpurmantels und Hermelinkragens,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[141/0147]
ſey. Dieſe letzte Meynung drang durch und
das Haus war gefüllt. Die Schauſpieler
ſpielten mit ſeltenem Feuer und mit mehr
leidenſchaftlicher Freyheit als das erſtemal.
Die Zuſchauer, deren Gefühl durch die ſchreck¬
liche nächtliche Scene erhöht, und durch die
Langeweile eines zerſtreuten und verdorbenen
Tages noch mehr auf eine intereſſante Un¬
terhaltung geſpannt war, hatten mehr Em¬
pfänglichkeit für das Außerordentliche. Der
größte Theil waren neue, durch den Ruf des
Stücks herbeygezogene Zuſchauer, die keine
Vergleichung mit dem erſten Abend anſtellen
konnten. Der Polterer ſpielte ganz im Sin¬
ne des unbekannten Geiſtes, und der Pedant
hatte ſeinem Vorgänger gleichfalls gut auf¬
gepaßt, darneben kam ihm ſeine Erbärmlich¬
keit ſehr zu ſtatten, daß ihm Hamlet wirk¬
lich nicht Unrecht that, wenn er ihn, trotz
ſeines Purpurmantels und Hermelinkragens,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/147>, abgerufen am 04.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.