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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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kommnen ab, daß man die Fähigkeit es zu
empfinden, bey sich auf alle Weise erhalten
sollte. Denn einen solchen Genuß kann nie¬
mand ganz entbehren, und nur die Unge¬
wohntheit etwas Gutes zu genießen ist Ur¬
sache, daß viele Menschen schon am Alber¬
nen und Abgeschmackten, wenn es nur neu
ist, Vergnügen finden. Man sollte, sagte er,
alle Tage wenigstens ein kleines Lied hören,
ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Ge¬
mählde sehen, und, wenn es möglich zu machen
wäre, einige vernünftige Worte sprechen.

Bey diesen Gesinnungen, die Serlo ge¬
wissermaßen natürlich waren, konnte es den
Personen, die ihn umgaben, nicht an ange¬
nehmer Unterhaltung fehlen. Mitten in die¬
sem vergnüglichen Zustande brachte man
Wilhelmen eines Tags einen schwarzgesiegel¬
ten Brief. Werners Petschaft deutete auf
eine traurige Nachricht, und er erschrack nicht

kommnen ab, daß man die Fähigkeit es zu
empfinden, bey ſich auf alle Weiſe erhalten
ſollte. Denn einen ſolchen Genuß kann nie¬
mand ganz entbehren, und nur die Unge¬
wohntheit etwas Gutes zu genießen iſt Ur¬
ſache, daß viele Menſchen ſchon am Alber¬
nen und Abgeſchmackten, wenn es nur neu
iſt, Vergnügen finden. Man ſollte, ſagte er,
alle Tage wenigſtens ein kleines Lied hören,
ein gutes Gedicht leſen, ein treffliches Ge¬
mählde ſehen, und, wenn es möglich zu machen
wäre, einige vernünftige Worte ſprechen.

Bey dieſen Geſinnungen, die Serlo ge¬
wiſſermaßen natürlich waren, konnte es den
Perſonen, die ihn umgaben, nicht an ange¬
nehmer Unterhaltung fehlen. Mitten in die¬
ſem vergnüglichen Zuſtande brachte man
Wilhelmen eines Tags einen ſchwarzgeſiegel¬
ten Brief. Werners Petſchaft deutete auf
eine traurige Nachricht, und er erſchrack nicht

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[12/0018] kommnen ab, daß man die Fähigkeit es zu empfinden, bey ſich auf alle Weiſe erhalten ſollte. Denn einen ſolchen Genuß kann nie¬ mand ganz entbehren, und nur die Unge¬ wohntheit etwas Gutes zu genießen iſt Ur¬ ſache, daß viele Menſchen ſchon am Alber¬ nen und Abgeſchmackten, wenn es nur neu iſt, Vergnügen finden. Man ſollte, ſagte er, alle Tage wenigſtens ein kleines Lied hören, ein gutes Gedicht leſen, ein treffliches Ge¬ mählde ſehen, und, wenn es möglich zu machen wäre, einige vernünftige Worte ſprechen. Bey dieſen Geſinnungen, die Serlo ge¬ wiſſermaßen natürlich waren, konnte es den Perſonen, die ihn umgaben, nicht an ange¬ nehmer Unterhaltung fehlen. Mitten in die¬ ſem vergnüglichen Zuſtande brachte man Wilhelmen eines Tags einen ſchwarzgeſiegel¬ ten Brief. Werners Petſchaft deutete auf eine traurige Nachricht, und er erſchrack nicht

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/18>, abgerufen am 24.11.2024.