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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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Ihr Gespräch fiel natürlich auf die Me¬
thode, Wahnsinnige zu kuriren.

Außer dem Physischen, sagte der Geistli¬
che, das uns oft unüberwindliche Schwierig¬
keiten in den Weg legt und worüber ich ei¬
nen denkenden Arzt zu Rathe ziehe, finde ich
die Mittel vom Wahnsinne zu heilen sehr
einfach. Es sind eben dieselben, wodurch
man gesunde Menschen hindert wahnsinnig
zu werden. Man errege ihre Selbstthätig¬
keit, man gewöhne sie an Ordnung, man
gebe ihnen einen Begriff, daß sie ihr Seyn
und Schicksal mit so vielen gemein haben,
daß das außerordentliche Talent, das größte
Glück und das höchste Unglück nur kleine
Abweichungen von dem gewöhnlichen sind;
so wird sich kein Wahnsinn einschleichen, und
wenn er da ist, nach und nach wieder ver¬
schwinden. Ich habe des alten Mannes
Stunden eingetheilt, er unterrichtet einige

W. Meisters Lehrj. 3. M

Ihr Geſpräch fiel natürlich auf die Me¬
thode, Wahnſinnige zu kuriren.

Außer dem Phyſiſchen, ſagte der Geiſtli¬
che, das uns oft unüberwindliche Schwierig¬
keiten in den Weg legt und worüber ich ei¬
nen denkenden Arzt zu Rathe ziehe, finde ich
die Mittel vom Wahnſinne zu heilen ſehr
einfach. Es ſind eben dieſelben, wodurch
man geſunde Menſchen hindert wahnſinnig
zu werden. Man errege ihre Selbſtthätig¬
keit, man gewöhne ſie an Ordnung, man
gebe ihnen einen Begriff, daß ſie ihr Seyn
und Schickſal mit ſo vielen gemein haben,
daß das außerordentliche Talent, das größte
Glück und das höchſte Unglück nur kleine
Abweichungen von dem gewöhnlichen ſind;
ſo wird ſich kein Wahnſinn einſchleichen, und
wenn er da iſt, nach und nach wieder ver¬
ſchwinden. Ich habe des alten Mannes
Stunden eingetheilt, er unterrichtet einige

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[177/0183] Ihr Geſpräch fiel natürlich auf die Me¬ thode, Wahnſinnige zu kuriren. Außer dem Phyſiſchen, ſagte der Geiſtli¬ che, das uns oft unüberwindliche Schwierig¬ keiten in den Weg legt und worüber ich ei¬ nen denkenden Arzt zu Rathe ziehe, finde ich die Mittel vom Wahnſinne zu heilen ſehr einfach. Es ſind eben dieſelben, wodurch man geſunde Menſchen hindert wahnſinnig zu werden. Man errege ihre Selbſtthätig¬ keit, man gewöhne ſie an Ordnung, man gebe ihnen einen Begriff, daß ſie ihr Seyn und Schickſal mit ſo vielen gemein haben, daß das außerordentliche Talent, das größte Glück und das höchſte Unglück nur kleine Abweichungen von dem gewöhnlichen ſind; ſo wird ſich kein Wahnſinn einſchleichen, und wenn er da iſt, nach und nach wieder ver¬ ſchwinden. Ich habe des alten Mannes Stunden eingetheilt, er unterrichtet einige W. Meiſters Lehrj. 3. M

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/183>, abgerufen am 09.11.2024.