der nicht in unserer Erziehung und in unsern bürgerlichen Einrichtungen, wodurch wir uns und unsre Kinder zur Tollheit vorbereiten.
Wilhelm verweilte bey diesem vernünfti¬ gen Manne einige Tage, und erfuhr die in¬ teressantesten Geschichten, nicht allein von verrückten Menschen, sondern auch von sol¬ chen, die man für klug, ja für weise zu hal¬ ten pflegt, und deren Eigenthümlichkeiten nahe an den Wahnsinn grenzen.
Dreyfach belebt aber ward die Unterhal¬ tung, als der Medikus eintrat, der den Geist¬ lichen, seinen Freund, öfters zu besuchen, und ihm bey seinen menschenfreundlichen Bemü¬ hungen beyzustehen pflegte. Es war ein ält¬ licher Mann, der bey einer schwächlichen Ge¬ sundheit viele Jahre in Ausübung der edel¬ sten Pflichten zugebracht hatte. Er war ein großer Freund vom Landleben und konnte fast nicht anders als in freyer Luft seyn;
M 2
der nicht in unſerer Erziehung und in unſern bürgerlichen Einrichtungen, wodurch wir uns und unſre Kinder zur Tollheit vorbereiten.
Wilhelm verweilte bey dieſem vernünfti¬ gen Manne einige Tage, und erfuhr die in¬ tereſſanteſten Geſchichten, nicht allein von verrückten Menſchen, ſondern auch von ſol¬ chen, die man für klug, ja für weiſe zu hal¬ ten pflegt, und deren Eigenthümlichkeiten nahe an den Wahnſinn grenzen.
Dreyfach belebt aber ward die Unterhal¬ tung, als der Medikus eintrat, der den Geiſt¬ lichen, ſeinen Freund, öfters zu beſuchen, und ihm bey ſeinen menſchenfreundlichen Bemü¬ hungen beyzuſtehen pflegte. Es war ein ält¬ licher Mann, der bey einer ſchwächlichen Ge¬ ſundheit viele Jahre in Ausübung der edel¬ ſten Pflichten zugebracht hatte. Er war ein großer Freund vom Landleben und konnte faſt nicht anders als in freyer Luft ſeyn;
M 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0185"n="179"/>
der nicht in unſerer Erziehung und in unſern<lb/>
bürgerlichen Einrichtungen, wodurch wir uns<lb/>
und unſre Kinder zur Tollheit vorbereiten.</p><lb/><p>Wilhelm verweilte bey dieſem vernünfti¬<lb/>
gen Manne einige Tage, und erfuhr die in¬<lb/>
tereſſanteſten Geſchichten, nicht allein von<lb/>
verrückten Menſchen, ſondern auch von ſol¬<lb/>
chen, die man für klug, ja für weiſe zu hal¬<lb/>
ten pflegt, und deren Eigenthümlichkeiten<lb/>
nahe an den Wahnſinn grenzen.</p><lb/><p>Dreyfach belebt aber ward die Unterhal¬<lb/>
tung, als der Medikus eintrat, der den Geiſt¬<lb/>
lichen, ſeinen Freund, öfters zu beſuchen, und<lb/>
ihm bey ſeinen menſchenfreundlichen Bemü¬<lb/>
hungen beyzuſtehen pflegte. Es war ein ält¬<lb/>
licher Mann, der bey einer ſchwächlichen Ge¬<lb/>ſundheit viele Jahre in Ausübung der edel¬<lb/>ſten Pflichten zugebracht hatte. Er war ein<lb/>
großer Freund vom Landleben und konnte<lb/>
faſt nicht anders als in freyer Luft ſeyn;<lb/><fwplace="bottom"type="sig">M 2<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[179/0185]
der nicht in unſerer Erziehung und in unſern
bürgerlichen Einrichtungen, wodurch wir uns
und unſre Kinder zur Tollheit vorbereiten.
Wilhelm verweilte bey dieſem vernünfti¬
gen Manne einige Tage, und erfuhr die in¬
tereſſanteſten Geſchichten, nicht allein von
verrückten Menſchen, ſondern auch von ſol¬
chen, die man für klug, ja für weiſe zu hal¬
ten pflegt, und deren Eigenthümlichkeiten
nahe an den Wahnſinn grenzen.
Dreyfach belebt aber ward die Unterhal¬
tung, als der Medikus eintrat, der den Geiſt¬
lichen, ſeinen Freund, öfters zu beſuchen, und
ihm bey ſeinen menſchenfreundlichen Bemü¬
hungen beyzuſtehen pflegte. Es war ein ält¬
licher Mann, der bey einer ſchwächlichen Ge¬
ſundheit viele Jahre in Ausübung der edel¬
ſten Pflichten zugebracht hatte. Er war ein
großer Freund vom Landleben und konnte
faſt nicht anders als in freyer Luft ſeyn;
M 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/185>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.