auf einmal, daß es nur eine Glasglocke sey, die mich in den luftleeren Raum sperrte; nur noch so viel Kraft sie entzwey zu schla¬ gen, und du bist gerettet.
Gedacht gewagt. Ich zog die Maske ab und handelte jedesmal wie mirs ums Herz war. Narcissen hatte ich immer zärt¬ lich lieb; aber das Thermometer, das vorher im heißen Wasser gestanden, hing nun an der natürlichen Luft; es konnte nicht höher steigen, als die Atmosphäre warm war.
Unglücklicherweise erkältete sie sich sehr. Narciß fing an sich zurück zu ziehen und fremd zu thun, das stand ihm frey; aber mein Thermometer fiel, so wie er sich zurück zog. Meine Familie bemerkte es, man be¬ fragte mich, man wollte sich verwundern. Ich erklärte mit männlichem Trotz, daß ich mich bisher genug aufgeopfert habe, daß ich bereit sey, noch ferner und bis ans Ende
auf einmal, daß es nur eine Glasglocke ſey, die mich in den luftleeren Raum ſperrte; nur noch ſo viel Kraft ſie entzwey zu ſchla¬ gen, und du biſt gerettet.
Gedacht gewagt. Ich zog die Maske ab und handelte jedesmal wie mirs ums Herz war. Narciſſen hatte ich immer zärt¬ lich lieb; aber das Thermometer, das vorher im heißen Waſſer geſtanden, hing nun an der natürlichen Luft; es konnte nicht höher ſteigen, als die Atmoſphäre warm war.
Unglücklicherweiſe erkältete ſie ſich ſehr. Narciß fing an ſich zurück zu ziehen und fremd zu thun, das ſtand ihm frey; aber mein Thermometer fiel, ſo wie er ſich zurück zog. Meine Familie bemerkte es, man be¬ fragte mich, man wollte ſich verwundern. Ich erklärte mit männlichem Trotz, daß ich mich bisher genug aufgeopfert habe, daß ich bereit ſey, noch ferner und bis ans Ende
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0269"n="265[263]"/>
auf einmal, daß es nur eine Glasglocke ſey,<lb/>
die mich in den luftleeren Raum ſperrte;<lb/>
nur noch ſo viel Kraft ſie entzwey zu ſchla¬<lb/>
gen, und du biſt gerettet.</p><lb/><p>Gedacht gewagt. Ich zog die Maske<lb/>
ab und handelte jedesmal wie mirs ums<lb/>
Herz war. Narciſſen hatte ich immer zärt¬<lb/>
lich lieb; aber das Thermometer, das vorher<lb/>
im heißen Waſſer geſtanden, hing nun an<lb/>
der natürlichen Luft; es konnte nicht höher<lb/>ſteigen, als die Atmoſphäre warm war.</p><lb/><p>Unglücklicherweiſe erkältete ſie ſich ſehr.<lb/>
Narciß fing an ſich zurück zu ziehen und<lb/>
fremd zu thun, das ſtand ihm frey; aber<lb/>
mein Thermometer fiel, ſo wie er ſich zurück<lb/>
zog. Meine Familie bemerkte es, man be¬<lb/>
fragte mich, man wollte ſich verwundern.<lb/>
Ich erklärte mit männlichem Trotz, daß ich<lb/>
mich bisher genug aufgeopfert habe, daß ich<lb/>
bereit ſey, noch ferner und bis ans Ende<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[265[263]/0269]
auf einmal, daß es nur eine Glasglocke ſey,
die mich in den luftleeren Raum ſperrte;
nur noch ſo viel Kraft ſie entzwey zu ſchla¬
gen, und du biſt gerettet.
Gedacht gewagt. Ich zog die Maske
ab und handelte jedesmal wie mirs ums
Herz war. Narciſſen hatte ich immer zärt¬
lich lieb; aber das Thermometer, das vorher
im heißen Waſſer geſtanden, hing nun an
der natürlichen Luft; es konnte nicht höher
ſteigen, als die Atmoſphäre warm war.
Unglücklicherweiſe erkältete ſie ſich ſehr.
Narciß fing an ſich zurück zu ziehen und
fremd zu thun, das ſtand ihm frey; aber
mein Thermometer fiel, ſo wie er ſich zurück
zog. Meine Familie bemerkte es, man be¬
fragte mich, man wollte ſich verwundern.
Ich erklärte mit männlichem Trotz, daß ich
mich bisher genug aufgeopfert habe, daß ich
bereit ſey, noch ferner und bis ans Ende
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 265[263]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/269>, abgerufen am 06.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.