meines Lebens alle Widerwärtigkeiten mit ihm zu theilen, daß ich aber für meine Hand¬ lungen völlige Freyheit verlange, daß mein Thun und Lassen von meiner Überzeugung abhängen müsse; daß ich zwar niemals ei¬ gensinnig auf meiner Meynung beharren, vielmehr jede Gründe gerne anhören wollte, aber da es mein eigenes Glück betreffe, müs¬ se die Entscheidung von mir abhängen, und keine Art von Zwang würde ich dulden. So wenig das Raisonnement des größten Arztes mich bewegen würde, eine sonst viel¬ leicht ganz gesunde und von vielen sehr ge¬ liebte Speise zu mir zu nehmen, so bald mir meine Erfahrung bewiese, daß sie mir jeder¬ zeit schädlich sey, wie ich den Gebrauch des Kaffees zum Beyspiel anführen könnte, so wenig und noch viel weniger würde ich mir irgend eine Handlung, die mich verwirrte, als für mich moralisch zuträglich aufdemon¬ striren lassen.
meines Lebens alle Widerwärtigkeiten mit ihm zu theilen, daß ich aber für meine Hand¬ lungen völlige Freyheit verlange, daß mein Thun und Laſſen von meiner Überzeugung abhängen müſſe; daß ich zwar niemals ei¬ genſinnig auf meiner Meynung beharren, vielmehr jede Gründe gerne anhören wollte, aber da es mein eigenes Glück betreffe, müſ¬ ſe die Entſcheidung von mir abhängen, und keine Art von Zwang würde ich dulden. So wenig das Raiſonnement des größten Arztes mich bewegen würde, eine ſonſt viel¬ leicht ganz geſunde und von vielen ſehr ge¬ liebte Speiſe zu mir zu nehmen, ſo bald mir meine Erfahrung bewieſe, daß ſie mir jeder¬ zeit ſchädlich ſey, wie ich den Gebrauch des Kaffees zum Beyſpiel anführen könnte, ſo wenig und noch viel weniger würde ich mir irgend eine Handlung, die mich verwirrte, als für mich moraliſch zuträglich aufdemon¬ ſtriren laſſen.
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[266[264]/0270]
meines Lebens alle Widerwärtigkeiten mit
ihm zu theilen, daß ich aber für meine Hand¬
lungen völlige Freyheit verlange, daß mein
Thun und Laſſen von meiner Überzeugung
abhängen müſſe; daß ich zwar niemals ei¬
genſinnig auf meiner Meynung beharren,
vielmehr jede Gründe gerne anhören wollte,
aber da es mein eigenes Glück betreffe, müſ¬
ſe die Entſcheidung von mir abhängen, und
keine Art von Zwang würde ich dulden.
So wenig das Raiſonnement des größten
Arztes mich bewegen würde, eine ſonſt viel¬
leicht ganz geſunde und von vielen ſehr ge¬
liebte Speiſe zu mir zu nehmen, ſo bald mir
meine Erfahrung bewieſe, daß ſie mir jeder¬
zeit ſchädlich ſey, wie ich den Gebrauch des
Kaffees zum Beyſpiel anführen könnte, ſo
wenig und noch viel weniger würde ich mir
irgend eine Handlung, die mich verwirrte,
als für mich moraliſch zuträglich aufdemon¬
ſtriren laſſen.
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 266[264]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/270>, abgerufen am 06.01.2025.
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