fromme Erziehung sein Gefühl mehr zusam¬ men gehalten und belebt. Er hatte weniger Eitelkeit, mehr Charakter, und wenn jener in weltlichen Geschäften fein, genau, anhaltend und unermüdlich war, so war dieser klar, scharf, schnell, und arbeitete mit einer unglaub¬ lichen Leichtigkeit. Durch ihn erfuhr ich die innersten Verhältnisse fast aller der vorneh¬ men Personen, deren Äußeres ich in der Ge¬ sellschaft hatte kennen lernen und ich war froh von meiner Warte dem Getümmel von weiten zuzusehen. Philo konnte mir nichts mehr verhehlen; er vertraute mir nach und nach seine äußern und innern Verbindungen. Ich fürchtete für ihn, denn ich sah gewisse Umstände und Verwickelungen voraus, und das Übel kam schneller als ich vermuthet hatte. Denn er hatte mit gewissen Bekenntnissen immer zurückgehalten und auch zuletzt ent¬ deckte er mir nur so viel, daß ich das Schlimmste vermuthen konnte.
fromme Erziehung ſein Gefühl mehr zuſam¬ men gehalten und belebt. Er hatte weniger Eitelkeit, mehr Charakter, und wenn jener in weltlichen Geſchäften fein, genau, anhaltend und unermüdlich war, ſo war dieſer klar, ſcharf, ſchnell, und arbeitete mit einer unglaub¬ lichen Leichtigkeit. Durch ihn erfuhr ich die innerſten Verhältniſſe faſt aller der vorneh¬ men Perſonen, deren Äußeres ich in der Ge¬ ſellſchaft hatte kennen lernen und ich war froh von meiner Warte dem Getümmel von weiten zuzuſehen. Philo konnte mir nichts mehr verhehlen; er vertraute mir nach und nach ſeine äußern und innern Verbindungen. Ich fürchtete für ihn, denn ich ſah gewiſſe Umſtände und Verwickelungen voraus, und das Übel kam ſchneller als ich vermuthet hatte. Denn er hatte mit gewiſſen Bekenntniſſen immer zurückgehalten und auch zuletzt ent¬ deckte er mir nur ſo viel, daß ich das Schlimmſte vermuthen konnte.
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fromme Erziehung ſein Gefühl mehr zuſam¬
men gehalten und belebt. Er hatte weniger
Eitelkeit, mehr Charakter, und wenn jener in
weltlichen Geſchäften fein, genau, anhaltend
und unermüdlich war, ſo war dieſer klar,
ſcharf, ſchnell, und arbeitete mit einer unglaub¬
lichen Leichtigkeit. Durch ihn erfuhr ich die
innerſten Verhältniſſe faſt aller der vorneh¬
men Perſonen, deren Äußeres ich in der Ge¬
ſellſchaft hatte kennen lernen und ich war
froh von meiner Warte dem Getümmel von
weiten zuzuſehen. Philo konnte mir nichts
mehr verhehlen; er vertraute mir nach und
nach ſeine äußern und innern Verbindungen.
Ich fürchtete für ihn, denn ich ſah gewiſſe
Umſtände und Verwickelungen voraus, und
das Übel kam ſchneller als ich vermuthet hatte.
Denn er hatte mit gewiſſen Bekenntniſſen
immer zurückgehalten und auch zuletzt ent¬
deckte er mir nur ſo viel, daß ich das
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/301>, abgerufen am 06.01.2025.
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