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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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gelhaft seyn könne. Unsere Empfindung von
ihnen ist so ganz, so mit sich selbst überein¬
stimmend, daß wir uns auch in ihnen eine
solche vollkommene Harmonie denken müs¬
sen. Serlo hingegen sonderte gern und bey¬
nah zu viel; sein scharfer Verstand wollte in
einem Kunstwerke gewöhnlich nur ein mehr
oder weniger unvollkommenes Ganze erken¬
nen. Er glaubte, so wie man die Stücke
finde, habe man wenig Ursache mit ihnen
so gar bedächtig umzugehen, und so mußte
auch Shakespear, so mußte besonders Ham¬
let vieles leiden.

Wilhelm wollte gar nicht hören, wenn
jener von der Absonderung der Spreu von
dem Weizen sprach. Es ist nicht Spreu
und Weizen durcheinander, rief dieser, es ist
ein Stamm, Äste, Zweige, Blätter, Knospen,
Blüthen und Früchte. Ist nicht eins mit
dem andern und durch das andere? Jener

gelhaft ſeyn könne. Unſere Empfindung von
ihnen iſt ſo ganz, ſo mit ſich ſelbſt überein¬
ſtimmend, daß wir uns auch in ihnen eine
ſolche vollkommene Harmonie denken müſ¬
ſen. Serlo hingegen ſonderte gern und bey¬
nah zu viel; ſein ſcharfer Verſtand wollte in
einem Kunſtwerke gewöhnlich nur ein mehr
oder weniger unvollkommenes Ganze erken¬
nen. Er glaubte, ſo wie man die Stücke
finde, habe man wenig Urſache mit ihnen
ſo gar bedächtig umzugehen, und ſo mußte
auch Shakeſpear, ſo mußte beſonders Ham¬
let vieles leiden.

Wilhelm wollte gar nicht hören, wenn
jener von der Abſonderung der Spreu von
dem Weizen ſprach. Es iſt nicht Spreu
und Weizen durcheinander, rief dieſer, es iſt
ein Stamm, Äſte, Zweige, Blätter, Knoſpen,
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dem andern und durch das andere? Jener

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[39/0045] gelhaft ſeyn könne. Unſere Empfindung von ihnen iſt ſo ganz, ſo mit ſich ſelbſt überein¬ ſtimmend, daß wir uns auch in ihnen eine ſolche vollkommene Harmonie denken müſ¬ ſen. Serlo hingegen ſonderte gern und bey¬ nah zu viel; ſein ſcharfer Verſtand wollte in einem Kunſtwerke gewöhnlich nur ein mehr oder weniger unvollkommenes Ganze erken¬ nen. Er glaubte, ſo wie man die Stücke finde, habe man wenig Urſache mit ihnen ſo gar bedächtig umzugehen, und ſo mußte auch Shakeſpear, ſo mußte beſonders Ham¬ let vieles leiden. Wilhelm wollte gar nicht hören, wenn jener von der Abſonderung der Spreu von dem Weizen ſprach. Es iſt nicht Spreu und Weizen durcheinander, rief dieſer, es iſt ein Stamm, Äſte, Zweige, Blätter, Knoſpen, Blüthen und Früchte. Iſt nicht eins mit dem andern und durch das andere? Jener

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/45>, abgerufen am 27.11.2024.