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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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zu ihrem Vortheile auslegte, fand ich kei¬
nesweges bedeutend; von der Absicht einer
ernsthaften, dauernden Verbindung zeigte
sich keine Spur, um so deutlicher sah ich
den Hang des leidenschaftlichen Mädchens
um jeden Preis die seinige zu werden.

So standen die Sachen, als mich die
Frau vom Hause mit einem unvermutheten
Antrag überraschte; Lothario, sagte sie, bie¬
tet Ihnen seine Hand an, und wünscht Sie
in seinem Leben immer zur Seite zu haben.
Sie verbreitete sich über meine Eigenschaf¬
ten, und sagte mir, was ich so gerne an¬
hörte: daß Lothario überzeugt sey, in mir
die Person gefunden zu haben, die er so
lange gewünscht hatte.

Das höchste Glück war nun für mich er¬
reicht, ein Mann verlangte mich, den ich
so sehr schätzte, bey dem und mit dem ich
eine völlige freye, ausgebreitete, nützliche

zu ihrem Vortheile auslegte, fand ich kei¬
nesweges bedeutend; von der Abſicht einer
ernſthaften, dauernden Verbindung zeigte
ſich keine Spur, um ſo deutlicher ſah ich
den Hang des leidenſchaftlichen Mädchens
um jeden Preis die ſeinige zu werden.

So ſtanden die Sachen, als mich die
Frau vom Hauſe mit einem unvermutheten
Antrag überraſchte; Lothario, ſagte ſie, bie¬
tet Ihnen ſeine Hand an, und wünſcht Sie
in ſeinem Leben immer zur Seite zu haben.
Sie verbreitete ſich über meine Eigenſchaf¬
ten, und ſagte mir, was ich ſo gerne an¬
hörte: daß Lothario überzeugt ſey, in mir
die Perſon gefunden zu haben, die er ſo
lange gewünſcht hatte.

Das höchſte Glück war nun für mich er¬
reicht, ein Mann verlangte mich, den ich
ſo ſehr ſchätzte, bey dem und mit dem ich
eine völlige freye, ausgebreitete, nützliche

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[100/0104] zu ihrem Vortheile auslegte, fand ich kei¬ nesweges bedeutend; von der Abſicht einer ernſthaften, dauernden Verbindung zeigte ſich keine Spur, um ſo deutlicher ſah ich den Hang des leidenſchaftlichen Mädchens um jeden Preis die ſeinige zu werden. So ſtanden die Sachen, als mich die Frau vom Hauſe mit einem unvermutheten Antrag überraſchte; Lothario, ſagte ſie, bie¬ tet Ihnen ſeine Hand an, und wünſcht Sie in ſeinem Leben immer zur Seite zu haben. Sie verbreitete ſich über meine Eigenſchaf¬ ten, und ſagte mir, was ich ſo gerne an¬ hörte: daß Lothario überzeugt ſey, in mir die Perſon gefunden zu haben, die er ſo lange gewünſcht hatte. Das höchſte Glück war nun für mich er¬ reicht, ein Mann verlangte mich, den ich ſo ſehr ſchätzte, bey dem und mit dem ich eine völlige freye, ausgebreitete, nützliche

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/104>, abgerufen am 21.11.2024.