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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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Wirkung meiner angebohrnen Neigung, mei¬
nes durch Übung erworbenen Talents vor
mir sah; die Summe meines ganzen Daseyns
schien sich ins Unendliche vermehrt zu haben.
Ich gab meine Einwilligung, er kam selbst,
er sprach mit mir allein, er reichte mir seine
Hand, er sah mir in die Augen, er umarmte
mich und drückte einen Kuß auf meine Lip¬
pen. Es war der erste und letzte. Er ver¬
traute mir seine ganze Lage, was ihn sein
Amerikanischer Feldzug gekostet, welche Schul¬
den er auf seine Güter geladen, wie er sich
mit seinem Großoheim einigermaßen darüber
entzweyt habe, wie dieser würdige Mann
für ihn zu sorgen denke, aber freylich auf
seine eigene Art, er wolle ihm eine reiche
Frau geben, da einem wohldenkenden Mann
doch nur mit einer haushältischen gedient
sey; er hoffe durch seine Schwester den Al¬
ten zu bereden. Er legte mir den Zustand

Wirkung meiner angebohrnen Neigung, mei¬
nes durch Übung erworbenen Talents vor
mir ſah; die Summe meines ganzen Daſeyns
ſchien ſich ins Unendliche vermehrt zu haben.
Ich gab meine Einwilligung, er kam ſelbſt,
er ſprach mit mir allein, er reichte mir ſeine
Hand, er ſah mir in die Augen, er umarmte
mich und drückte einen Kuß auf meine Lip¬
pen. Es war der erſte und letzte. Er ver¬
traute mir ſeine ganze Lage, was ihn ſein
Amerikaniſcher Feldzug gekoſtet, welche Schul¬
den er auf ſeine Güter geladen, wie er ſich
mit ſeinem Großoheim einigermaßen darüber
entzweyt habe, wie dieſer würdige Mann
für ihn zu ſorgen denke, aber freylich auf
ſeine eigene Art, er wolle ihm eine reiche
Frau geben, da einem wohldenkenden Mann
doch nur mit einer haushältiſchen gedient
ſey; er hoffe durch ſeine Schweſter den Al¬
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[101/0105] Wirkung meiner angebohrnen Neigung, mei¬ nes durch Übung erworbenen Talents vor mir ſah; die Summe meines ganzen Daſeyns ſchien ſich ins Unendliche vermehrt zu haben. Ich gab meine Einwilligung, er kam ſelbſt, er ſprach mit mir allein, er reichte mir ſeine Hand, er ſah mir in die Augen, er umarmte mich und drückte einen Kuß auf meine Lip¬ pen. Es war der erſte und letzte. Er ver¬ traute mir ſeine ganze Lage, was ihn ſein Amerikaniſcher Feldzug gekoſtet, welche Schul¬ den er auf ſeine Güter geladen, wie er ſich mit ſeinem Großoheim einigermaßen darüber entzweyt habe, wie dieſer würdige Mann für ihn zu ſorgen denke, aber freylich auf ſeine eigene Art, er wolle ihm eine reiche Frau geben, da einem wohldenkenden Mann doch nur mit einer haushältiſchen gedient ſey; er hoffe durch ſeine Schweſter den Al¬ ten zu bereden. Er legte mir den Zuſtand

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/105>, abgerufen am 21.11.2024.