nur Diät ist, wenn ich sie zur Lebensregel mache, wenn ich sie das ganze Jahr nicht außer Augen lasse.
Sie suchten unter den Büchern, und fan¬ den einige sogenannte Erbauungsschriften. Die Zuflucht zu diesen Büchern, sagte The¬ rese, hat Lydie von meiner Mutter gelernt; Schauspiel und Roman waren ihr Leben, so lang der Liebhaber treu blieb, seine Entfer¬ nung brachte sogleich diese Bücher wieder in Credit. Ich kann überhaupt nicht begreifen, fuhr sie fort, wie man hat glauben können, daß Gott durch Bücher und Geschichten zu uns spreche. Wem die Welt nicht unmittel¬ bar eröffnet, was sie für ein Verhältnis zu ihm hat, wem sein Herz nicht sagt, was er sich und andern schuldig ist, der wird es wohl schwerlich aus Büchern erfahren, die eigentlich nur geschickt sind unsern Irrthü¬ mern Nahmen zu geben.
nur Diät iſt, wenn ich ſie zur Lebensregel mache, wenn ich ſie das ganze Jahr nicht außer Augen laſſe.
Sie ſuchten unter den Büchern, und fan¬ den einige ſogenannte Erbauungsſchriften. Die Zuflucht zu dieſen Büchern, ſagte The¬ reſe, hat Lydie von meiner Mutter gelernt; Schauſpiel und Roman waren ihr Leben, ſo lang der Liebhaber treu blieb, ſeine Entfer¬ nung brachte ſogleich dieſe Bücher wieder in Credit. Ich kann überhaupt nicht begreifen, fuhr ſie fort, wie man hat glauben können, daß Gott durch Bücher und Geſchichten zu uns ſpreche. Wem die Welt nicht unmittel¬ bar eröffnet, was ſie für ein Verhältnis zu ihm hat, wem ſein Herz nicht ſagt, was er ſich und andern ſchuldig iſt, der wird es wohl ſchwerlich aus Büchern erfahren, die eigentlich nur geſchickt ſind unſern Irrthü¬ mern Nahmen zu geben.
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nur Diät iſt, wenn ich ſie zur Lebensregel
mache, wenn ich ſie das ganze Jahr nicht
außer Augen laſſe.
Sie ſuchten unter den Büchern, und fan¬
den einige ſogenannte Erbauungsſchriften.
Die Zuflucht zu dieſen Büchern, ſagte The¬
reſe, hat Lydie von meiner Mutter gelernt;
Schauſpiel und Roman waren ihr Leben, ſo
lang der Liebhaber treu blieb, ſeine Entfer¬
nung brachte ſogleich dieſe Bücher wieder in
Credit. Ich kann überhaupt nicht begreifen,
fuhr ſie fort, wie man hat glauben können,
daß Gott durch Bücher und Geſchichten zu
uns ſpreche. Wem die Welt nicht unmittel¬
bar eröffnet, was ſie für ein Verhältnis zu
ihm hat, wem ſein Herz nicht ſagt, was er
ſich und andern ſchuldig iſt, der wird es
wohl ſchwerlich aus Büchern erfahren, die
eigentlich nur geſchickt ſind unſern Irrthü¬
mern Nahmen zu geben.
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/114>, abgerufen am 21.11.2024.
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