grauer, wenn wir ihn ungerührt ansehen und was kann uns rühren, als die stille Hoffnung, daß die angebohrne Neigung unsers Herzens nicht ohne Gegenstand bleiben werde? Uns rührt die Erzählung jeder guten That, uns rührt das Anschauen jedes harmonischen Ge¬ genstandes; wir fühlen dabey, daß wir nicht ganz in der Fremde sind, wir wähnen einer Heimath näher zu seyn, nach der unser Be¬ stes, Innerstes ungedultig hinstrebt.
Inzwischen hatte ihn ein Fußgänger ein¬ geholt, der sich zu ihm gesellte, mit starkem Schritte neben dem Pferde blieb und, nach einigen gleichgültigen Reden, zu dem Reuter sagte: wenn ich mich nicht irre, so muß ich Sie irgendwo schon gesehen haben.
Ich erinnere mich Ihrer auch, versetzte Wilhelm, haben wir nicht zusammen eine lustige Wasserfahrt gemacht? -- Ganz recht! erwiederte der andere.
grauer, wenn wir ihn ungerührt anſehen und was kann uns rühren, als die ſtille Hoffnung, daß die angebohrne Neigung unſers Herzens nicht ohne Gegenſtand bleiben werde? Uns rührt die Erzählung jeder guten That, uns rührt das Anſchauen jedes harmoniſchen Ge¬ genſtandes; wir fühlen dabey, daß wir nicht ganz in der Fremde ſind, wir wähnen einer Heimath näher zu ſeyn, nach der unſer Be¬ ſtes, Innerſtes ungedultig hinſtrebt.
Inzwiſchen hatte ihn ein Fußgänger ein¬ geholt, der ſich zu ihm geſellte, mit ſtarkem Schritte neben dem Pferde blieb und, nach einigen gleichgültigen Reden, zu dem Reuter ſagte: wenn ich mich nicht irre, ſo muß ich Sie irgendwo ſchon geſehen haben.
Ich erinnere mich Ihrer auch, verſetzte Wilhelm, haben wir nicht zuſammen eine luſtige Waſſerfahrt gemacht? — Ganz recht! erwiederte der andere.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0012"n="8"/>
grauer, wenn wir ihn ungerührt anſehen und<lb/>
was kann uns rühren, als die ſtille Hoffnung,<lb/>
daß die angebohrne Neigung unſers Herzens<lb/>
nicht ohne Gegenſtand bleiben werde? Uns<lb/>
rührt die Erzählung jeder guten That, uns<lb/>
rührt das Anſchauen jedes harmoniſchen Ge¬<lb/>
genſtandes; wir fühlen dabey, daß wir nicht<lb/>
ganz in der Fremde ſind, wir wähnen einer<lb/>
Heimath näher zu ſeyn, nach der unſer Be¬<lb/>ſtes, Innerſtes ungedultig hinſtrebt.</p><lb/><p>Inzwiſchen hatte ihn ein Fußgänger ein¬<lb/>
geholt, der ſich zu ihm geſellte, mit ſtarkem<lb/>
Schritte neben dem Pferde blieb und, nach<lb/>
einigen gleichgültigen Reden, zu dem Reuter<lb/>ſagte: wenn ich mich nicht irre, ſo muß ich<lb/>
Sie irgendwo ſchon geſehen haben.</p><lb/><p>Ich erinnere mich Ihrer auch, verſetzte<lb/>
Wilhelm, haben wir nicht zuſammen eine<lb/>
luſtige Waſſerfahrt gemacht? — Ganz recht!<lb/>
erwiederte der andere.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[8/0012]
grauer, wenn wir ihn ungerührt anſehen und
was kann uns rühren, als die ſtille Hoffnung,
daß die angebohrne Neigung unſers Herzens
nicht ohne Gegenſtand bleiben werde? Uns
rührt die Erzählung jeder guten That, uns
rührt das Anſchauen jedes harmoniſchen Ge¬
genſtandes; wir fühlen dabey, daß wir nicht
ganz in der Fremde ſind, wir wähnen einer
Heimath näher zu ſeyn, nach der unſer Be¬
ſtes, Innerſtes ungedultig hinſtrebt.
Inzwiſchen hatte ihn ein Fußgänger ein¬
geholt, der ſich zu ihm geſellte, mit ſtarkem
Schritte neben dem Pferde blieb und, nach
einigen gleichgültigen Reden, zu dem Reuter
ſagte: wenn ich mich nicht irre, ſo muß ich
Sie irgendwo ſchon geſehen haben.
Ich erinnere mich Ihrer auch, verſetzte
Wilhelm, haben wir nicht zuſammen eine
luſtige Waſſerfahrt gemacht? — Ganz recht!
erwiederte der andere.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/12>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.