sah, aber keine Röthe verkündigte eine in¬ nere Bewegung des Herzens. Ich reichte ihr die Hand, sie gab mir die ihrige; ich fragte nach ihrem Manne, er war abwesend, nach ihren Kindern, sie trat an die Thüre und rief sie herbey, alle kamen und versam¬ melten sich um sie. Es ist nichts reizender, als eine Mutter zu sehen mit einem Kinde auf dem Arme, und nichts ehrwürdiger, als eine Mutter unter vielen Kindern. Ich fragte nach den Nahmen der Kleinen, um doch nur etwas zu sagen, sie bat mich hin¬ ein zu treten und auf ihren Vater zu war¬ ten. Ich nahm es an; sie führte mich in die Stube, wo ich beynahe noch alles auf dem alten Platze fand, und -- sonderbar! die schöne Muhme, ihr Ebenbild, saß auf eben dem Schemmel hinter dem Spinnrocken, wo ich meine Geliebte in eben der Gestalt so oft gefunden hatte. Ein kleines Mäd¬
ſah, aber keine Röthe verkündigte eine in¬ nere Bewegung des Herzens. Ich reichte ihr die Hand, ſie gab mir die ihrige; ich fragte nach ihrem Manne, er war abweſend, nach ihren Kindern, ſie trat an die Thüre und rief ſie herbey, alle kamen und verſam¬ melten ſich um ſie. Es iſt nichts reizender, als eine Mutter zu ſehen mit einem Kinde auf dem Arme, und nichts ehrwürdiger, als eine Mutter unter vielen Kindern. Ich fragte nach den Nahmen der Kleinen, um doch nur etwas zu ſagen, ſie bat mich hin¬ ein zu treten und auf ihren Vater zu war¬ ten. Ich nahm es an; ſie führte mich in die Stube, wo ich beynahe noch alles auf dem alten Platze fand, und — ſonderbar! die ſchöne Muhme, ihr Ebenbild, ſaß auf eben dem Schemmel hinter dem Spinnrocken, wo ich meine Geliebte in eben der Geſtalt ſo oft gefunden hatte. Ein kleines Mäd¬
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ſah, aber keine Röthe verkündigte eine in¬
nere Bewegung des Herzens. Ich reichte
ihr die Hand, ſie gab mir die ihrige; ich
fragte nach ihrem Manne, er war abweſend,
nach ihren Kindern, ſie trat an die Thüre
und rief ſie herbey, alle kamen und verſam¬
melten ſich um ſie. Es iſt nichts reizender,
als eine Mutter zu ſehen mit einem Kinde
auf dem Arme, und nichts ehrwürdiger, als
eine Mutter unter vielen Kindern. Ich
fragte nach den Nahmen der Kleinen, um
doch nur etwas zu ſagen, ſie bat mich hin¬
ein zu treten und auf ihren Vater zu war¬
ten. Ich nahm es an; ſie führte mich in
die Stube, wo ich beynahe noch alles auf
dem alten Platze fand, und — ſonderbar!
die ſchöne Muhme, ihr Ebenbild, ſaß auf
eben dem Schemmel hinter dem Spinnrocken,
wo ich meine Geliebte in eben der Geſtalt
ſo oft gefunden hatte. Ein kleines Mäd¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/142>, abgerufen am 24.11.2024.
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