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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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mir das Abentheuer mehr als billig auf dem
Herzen lag, ich faßte daher den Entschluß
nochmals hinzureiten, und die Person wirk¬
lich zu sehen, deren verjüngtes Bild mir eine
so angenehme Illusion gemacht hatte. Ich
stieg schon in einiger Entfernung vom Hause
ab, und ließ die Pferde bey Seite führen,
um die Kinder nicht zu stöhren, die vor dem
Thore spielten. Ich ging in das Haus, und
von ohngefähr kam sie mir entgegen, denn
sie war es selbst, und ich erkannte sie ohn¬
geachtet der großen Veränderung wieder.
Sie war stärker geworden, und schien größer
zu seyn; ihre Anmuth blickte durch ein ge¬
setztes Wesen hindurch, und ihre Munterkeit
war in ein stilles Nachdenken übergegangen.
Ihr Kopf, den sie sonst so leicht und frey
trug, hing ein wenig gesenkt, und leise Fal¬
ten waren über ihre Stirne gezogen.

Sie schlug die Augen nieder, als sie mich

mir das Abentheuer mehr als billig auf dem
Herzen lag, ich faßte daher den Entſchluß
nochmals hinzureiten, und die Perſon wirk¬
lich zu ſehen, deren verjüngtes Bild mir eine
ſo angenehme Illuſion gemacht hatte. Ich
ſtieg ſchon in einiger Entfernung vom Hauſe
ab, und ließ die Pferde bey Seite führen,
um die Kinder nicht zu ſtöhren, die vor dem
Thore ſpielten. Ich ging in das Haus, und
von ohngefähr kam ſie mir entgegen, denn
ſie war es ſelbſt, und ich erkannte ſie ohn¬
geachtet der großen Veränderung wieder.
Sie war ſtärker geworden, und ſchien größer
zu ſeyn; ihre Anmuth blickte durch ein ge¬
ſetztes Weſen hindurch, und ihre Munterkeit
war in ein ſtilles Nachdenken übergegangen.
Ihr Kopf, den ſie ſonſt ſo leicht und frey
trug, hing ein wenig geſenkt, und leiſe Fal¬
ten waren über ihre Stirne gezogen.

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[137/0141] mir das Abentheuer mehr als billig auf dem Herzen lag, ich faßte daher den Entſchluß nochmals hinzureiten, und die Perſon wirk¬ lich zu ſehen, deren verjüngtes Bild mir eine ſo angenehme Illuſion gemacht hatte. Ich ſtieg ſchon in einiger Entfernung vom Hauſe ab, und ließ die Pferde bey Seite führen, um die Kinder nicht zu ſtöhren, die vor dem Thore ſpielten. Ich ging in das Haus, und von ohngefähr kam ſie mir entgegen, denn ſie war es ſelbſt, und ich erkannte ſie ohn¬ geachtet der großen Veränderung wieder. Sie war ſtärker geworden, und ſchien größer zu ſeyn; ihre Anmuth blickte durch ein ge¬ ſetztes Weſen hindurch, und ihre Munterkeit war in ein ſtilles Nachdenken übergegangen. Ihr Kopf, den ſie ſonſt ſo leicht und frey trug, hing ein wenig geſenkt, und leiſe Fal¬ ten waren über ihre Stirne gezogen. Sie ſchlug die Augen nieder, als ſie mich

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/141>, abgerufen am 21.11.2024.