lebhafter, um ihn nicht zu sehr zu prüfen. Ich hatte mit Marianen einen harten Stand, ich überredete sie, ja ich kann sagen, ich zwang sie endlich, durch die Drohung daß ich sie verlassen würde, an ihren Liebhaber zu schreiben, und ihn auf die Nacht einzu¬ laden. Sie kamen und rafften zufälliger Weise seine Antwort in dem Halstuch auf. Ihre unvermuthete Gegenwart hatte mir ein böses Spiel gemacht. Kaum waren Sie weg, so ging die Qual von neuem an, sie schwur, daß sie Ihnen nicht untreu werden könne, und war so leidenschaftlich, so außer sich, daß sie mir ein herzliches Mitleid ablockte; ich versprach ihr endlich, daß ich auch diese Nacht Norbergen beruhigen, und ihn unter allerley Vorwänden entfernen wollte; ich bat sie zu Bette zu gehen, allein sie schien mir nicht zu trauen: sie blieb angezogen,
und
lebhafter, um ihn nicht zu ſehr zu prüfen. Ich hatte mit Marianen einen harten Stand, ich überredete ſie, ja ich kann ſagen, ich zwang ſie endlich, durch die Drohung daß ich ſie verlaſſen würde, an ihren Liebhaber zu ſchreiben, und ihn auf die Nacht einzu¬ laden. Sie kamen und rafften zufälliger Weiſe ſeine Antwort in dem Halstuch auf. Ihre unvermuthete Gegenwart hatte mir ein böſes Spiel gemacht. Kaum waren Sie weg, ſo ging die Qual von neuem an, ſie ſchwur, daß ſie Ihnen nicht untreu werden könne, und war ſo leidenſchaftlich, ſo außer ſich, daß ſie mir ein herzliches Mitleid ablockte; ich verſprach ihr endlich, daß ich auch dieſe Nacht Norbergen beruhigen, und ihn unter allerley Vorwänden entfernen wollte; ich bat ſie zu Bette zu gehen, allein ſie ſchien mir nicht zu trauen: ſie blieb angezogen,
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lebhafter, um ihn nicht zu ſehr zu prüfen.
Ich hatte mit Marianen einen harten Stand,
ich überredete ſie, ja ich kann ſagen, ich
zwang ſie endlich, durch die Drohung daß
ich ſie verlaſſen würde, an ihren Liebhaber
zu ſchreiben, und ihn auf die Nacht einzu¬
laden. Sie kamen und rafften zufälliger
Weiſe ſeine Antwort in dem Halstuch auf.
Ihre unvermuthete Gegenwart hatte mir ein
böſes Spiel gemacht. Kaum waren Sie weg,
ſo ging die Qual von neuem an, ſie ſchwur,
daß ſie Ihnen nicht untreu werden könne,
und war ſo leidenſchaftlich, ſo außer ſich,
daß ſie mir ein herzliches Mitleid ablockte;
ich verſprach ihr endlich, daß ich auch dieſe
Nacht Norbergen beruhigen, und ihn unter
allerley Vorwänden entfernen wollte; ich
bat ſie zu Bette zu gehen, allein ſie ſchien
mir nicht zu trauen: ſie blieb angezogen,
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/164>, abgerufen am 27.11.2024.
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