um seines Besitzes gewis zu seyn; ich muß ihm alles entdecken, meinen ganzen Zustand offenbaren, und ihm alsdann überlassen, ob er mich behalten oder verstoßen will, diese Scene bereite ich ihm, bereite ich mir zu, und wäre sein Gefühl mich zu verstoßen fä¬ hig; so würde ich alsdann ganz wieder mir selbst angehören, ich würde in meiner Strafe meinen Trost finden, und alles erdulden, was das Schicksal mir auferlegen wollte.
Mit diesen Gesinnungen, mit diesen Hoff¬ nungen, mein Herr, erwartete Sie das lie¬ benswürdige Mädchen, Sie kamen nicht; o! wie soll ich den Zustand des Wartens und Hoffens beschreiben? Ich sehe dich noch vor mir, mit welcher Liebe, mit welcher Inbrunst du von dem Manne sprachst, dessen Grau¬ samkeit du noch nicht erfahren hattest.
Gute liebe Barbara, rief Wilhelm, in¬ dem er aufsprang und die Alte bey der Hand
um ſeines Beſitzes gewis zu ſeyn; ich muß ihm alles entdecken, meinen ganzen Zuſtand offenbaren, und ihm alsdann überlaſſen, ob er mich behalten oder verſtoßen will, dieſe Scene bereite ich ihm, bereite ich mir zu, und wäre ſein Gefühl mich zu verſtoßen fä¬ hig; ſo würde ich alsdann ganz wieder mir ſelbſt angehören, ich würde in meiner Strafe meinen Troſt finden, und alles erdulden, was das Schickſal mir auferlegen wollte.
Mit dieſen Geſinnungen, mit dieſen Hoff¬ nungen, mein Herr, erwartete Sie das lie¬ benswürdige Mädchen, Sie kamen nicht; o! wie ſoll ich den Zuſtand des Wartens und Hoffens beſchreiben? Ich ſehe dich noch vor mir, mit welcher Liebe, mit welcher Inbrunſt du von dem Manne ſprachſt, deſſen Grau¬ ſamkeit du noch nicht erfahren hatteſt.
Gute liebe Barbara, rief Wilhelm, in¬ dem er aufſprang und die Alte bey der Hand
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um ſeines Beſitzes gewis zu ſeyn; ich muß
ihm alles entdecken, meinen ganzen Zuſtand
offenbaren, und ihm alsdann überlaſſen, ob
er mich behalten oder verſtoßen will, dieſe
Scene bereite ich ihm, bereite ich mir zu,
und wäre ſein Gefühl mich zu verſtoßen fä¬
hig; ſo würde ich alsdann ganz wieder mir
ſelbſt angehören, ich würde in meiner Strafe
meinen Troſt finden, und alles erdulden,
was das Schickſal mir auferlegen wollte.
Mit dieſen Geſinnungen, mit dieſen Hoff¬
nungen, mein Herr, erwartete Sie das lie¬
benswürdige Mädchen, Sie kamen nicht; o!
wie ſoll ich den Zuſtand des Wartens und
Hoffens beſchreiben? Ich ſehe dich noch vor
mir, mit welcher Liebe, mit welcher Inbrunſt
du von dem Manne ſprachſt, deſſen Grau¬
ſamkeit du noch nicht erfahren hatteſt.
Gute liebe Barbara, rief Wilhelm, in¬
dem er aufſprang und die Alte bey der Hand
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/169>, abgerufen am 27.11.2024.
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