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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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Serlo und Melina waren äußerst höflich
gegen ihn, sobald sie merkten, daß er an
seinen vorigen Platz keinen weitern Anspruch
machte; ein Theil des Publikums wünschte
ihn nochmals auftreten zu sehen, es wäre
ihm unmöglich gewesen, und bey der Gesell¬
schaft wünschte es niemand, als allenfalls
Frau Melina.

Er nahm nun wirklich Abschied von die¬
ser Freundin, er war gerührt, und sagte:
Wenn doch der Mensch sich nicht vermessen
wollte irgend etwas für die Zukunft zu ver¬
sprechen! das geringste vermag er nicht zu
halten, geschweige wenn sein Vorsatz von
Bedeutung ist. Wie schäme ich mich, wenn
ich denke, was ich Ihnen allen zusammen
in jener unglücklichen Nacht versprach, da
wir beraubt, krank, verletzt und verwundet
in eine elende Schenke zusammen gedrängt
waren. Wie erhöhte damals das Unglück

Serlo und Melina waren äußerſt höflich
gegen ihn, ſobald ſie merkten, daß er an
ſeinen vorigen Platz keinen weitern Anſpruch
machte; ein Theil des Publikums wünſchte
ihn nochmals auftreten zu ſehen, es wäre
ihm unmöglich geweſen, und bey der Geſell¬
ſchaft wünſchte es niemand, als allenfalls
Frau Melina.

Er nahm nun wirklich Abſchied von die¬
ſer Freundin, er war gerührt, und ſagte:
Wenn doch der Menſch ſich nicht vermeſſen
wollte irgend etwas für die Zukunft zu ver¬
ſprechen! das geringſte vermag er nicht zu
halten, geſchweige wenn ſein Vorſatz von
Bedeutung iſt. Wie ſchäme ich mich, wenn
ich denke, was ich Ihnen allen zuſammen
in jener unglücklichen Nacht verſprach, da
wir beraubt, krank, verletzt und verwundet
in eine elende Schenke zuſammen gedrängt
waren. Wie erhöhte damals das Unglück

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[190/0194] Serlo und Melina waren äußerſt höflich gegen ihn, ſobald ſie merkten, daß er an ſeinen vorigen Platz keinen weitern Anſpruch machte; ein Theil des Publikums wünſchte ihn nochmals auftreten zu ſehen, es wäre ihm unmöglich geweſen, und bey der Geſell¬ ſchaft wünſchte es niemand, als allenfalls Frau Melina. Er nahm nun wirklich Abſchied von die¬ ſer Freundin, er war gerührt, und ſagte: Wenn doch der Menſch ſich nicht vermeſſen wollte irgend etwas für die Zukunft zu ver¬ ſprechen! das geringſte vermag er nicht zu halten, geſchweige wenn ſein Vorſatz von Bedeutung iſt. Wie ſchäme ich mich, wenn ich denke, was ich Ihnen allen zuſammen in jener unglücklichen Nacht verſprach, da wir beraubt, krank, verletzt und verwundet in eine elende Schenke zuſammen gedrängt waren. Wie erhöhte damals das Unglück

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/194>, abgerufen am 23.11.2024.