Da ich mich, fuhr Wilhelm fort, mitten in jenem Familienkreis befinde, so ist ja wohl der Abbe, dessen jene Schrift erwähnt, auch der wunderbare, unerklärliche Mann, den ich in dem Hause Ihres Bruders, nach den seltsamsten Ereignissen, wiedergefunden habe. Vielleicht geben Sie mir einige nähere Auf¬ schlüsse über ihn?
Natalie versetzte: über ihn wäre vieles zu sagen; wovon ich am genauesten unter¬ richtet bin, ist der Einfluß, den er auf un¬ sere Erziehung gehabt hat. Er war, wenig¬ stens eine Zeit lang, überzeugt, daß die Er¬ ziehung sich nur an die Neigung anschließen müsse; wie er jetzt denkt, kann ich nicht sa¬ gen. Er behauptete: das erste und letzte am Menschen sey Thätigkeit, und man könne nichts thun, ohne die Anlage dazu zu haben, ohne den Instinkt, der uns dazu treibe. Man giebt zu, pflegte er zu sagen, daß Poeten
Da ich mich, fuhr Wilhelm fort, mitten in jenem Familienkreis befinde, ſo iſt ja wohl der Abbé, deſſen jene Schrift erwähnt, auch der wunderbare, unerklärliche Mann, den ich in dem Hauſe Ihres Bruders, nach den ſeltſamſten Ereigniſſen, wiedergefunden habe. Vielleicht geben Sie mir einige nähere Auf¬ ſchlüſſe über ihn?
Natalie verſetzte: über ihn wäre vieles zu ſagen; wovon ich am genaueſten unter¬ richtet bin, iſt der Einfluß, den er auf un¬ ſere Erziehung gehabt hat. Er war, wenig¬ ſtens eine Zeit lang, überzeugt, daß die Er¬ ziehung ſich nur an die Neigung anſchließen müſſe; wie er jetzt denkt, kann ich nicht ſa¬ gen. Er behauptete: das erſte und letzte am Menſchen ſey Thätigkeit, und man könne nichts thun, ohne die Anlage dazu zu haben, ohne den Inſtinkt, der uns dazu treibe. Man giebt zu, pflegte er zu ſagen, daß Poeten
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Da ich mich, fuhr Wilhelm fort, mitten
in jenem Familienkreis befinde, ſo iſt ja wohl
der Abbé, deſſen jene Schrift erwähnt, auch
der wunderbare, unerklärliche Mann, den
ich in dem Hauſe Ihres Bruders, nach den
ſeltſamſten Ereigniſſen, wiedergefunden habe.
Vielleicht geben Sie mir einige nähere Auf¬
ſchlüſſe über ihn?
Natalie verſetzte: über ihn wäre vieles
zu ſagen; wovon ich am genaueſten unter¬
richtet bin, iſt der Einfluß, den er auf un¬
ſere Erziehung gehabt hat. Er war, wenig¬
ſtens eine Zeit lang, überzeugt, daß die Er¬
ziehung ſich nur an die Neigung anſchließen
müſſe; wie er jetzt denkt, kann ich nicht ſa¬
gen. Er behauptete: das erſte und letzte
am Menſchen ſey Thätigkeit, und man könne
nichts thun, ohne die Anlage dazu zu haben,
ohne den Inſtinkt, der uns dazu treibe. Man
giebt zu, pflegte er zu ſagen, daß Poeten
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/275>, abgerufen am 22.11.2024.
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