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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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Was kann man wollen? was für Absichten
kann man haben? Was kann Therese für
einen Plan meynen? Ja es läßt sich nicht
läugnen, Lothario ist von geheimen Wir¬
kungen und Verbindungen umgeben, ich habe
selbst erfahren, daß man thätig ist, daß
man sich, in einem gewissen Sinne, um die
Handlungen, um die Schicksale mehrerer
Menschen bekümmert, und sie zu leiten weiß.
Von den Endzwecken dieser Geheimnisse ver¬
stehe ich nichts, aber diese neuste Absicht,
mir Theresen zu entreißen, sehe ich nur allzu
deutlich. Auf einer Seite mahlt man mir
das mögliche Glück Lothario's, vielleicht nur
zum Scheine, vor, auf der andern sehe ich
meine Geliebte, meine verehrte Braut, die
mich an ihr Herz ruft. Was soll ich thun?
Was soll ich unterlassen?

Nur ein wenig Geduld! sagte Natalie,
nur eine kurze Bedenkzeit. In dieser son¬

Was kann man wollen? was für Abſichten
kann man haben? Was kann Thereſe für
einen Plan meynen? Ja es läßt ſich nicht
läugnen, Lothario iſt von geheimen Wir¬
kungen und Verbindungen umgeben, ich habe
ſelbſt erfahren, daß man thätig iſt, daß
man ſich, in einem gewiſſen Sinne, um die
Handlungen, um die Schickſale mehrerer
Menſchen bekümmert, und ſie zu leiten weiß.
Von den Endzwecken dieſer Geheimniſſe ver¬
ſtehe ich nichts, aber dieſe neuſte Abſicht,
mir Thereſen zu entreißen, ſehe ich nur allzu
deutlich. Auf einer Seite mahlt man mir
das mögliche Glück Lothario’s, vielleicht nur
zum Scheine, vor, auf der andern ſehe ich
meine Geliebte, meine verehrte Braut, die
mich an ihr Herz ruft. Was ſoll ich thun?
Was ſoll ich unterlaſſen?

Nur ein wenig Geduld! ſagte Natalie,
nur eine kurze Bedenkzeit. In dieſer ſon¬

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[313/0317] Was kann man wollen? was für Abſichten kann man haben? Was kann Thereſe für einen Plan meynen? Ja es läßt ſich nicht läugnen, Lothario iſt von geheimen Wir¬ kungen und Verbindungen umgeben, ich habe ſelbſt erfahren, daß man thätig iſt, daß man ſich, in einem gewiſſen Sinne, um die Handlungen, um die Schickſale mehrerer Menſchen bekümmert, und ſie zu leiten weiß. Von den Endzwecken dieſer Geheimniſſe ver¬ ſtehe ich nichts, aber dieſe neuſte Abſicht, mir Thereſen zu entreißen, ſehe ich nur allzu deutlich. Auf einer Seite mahlt man mir das mögliche Glück Lothario’s, vielleicht nur zum Scheine, vor, auf der andern ſehe ich meine Geliebte, meine verehrte Braut, die mich an ihr Herz ruft. Was ſoll ich thun? Was ſoll ich unterlaſſen? Nur ein wenig Geduld! ſagte Natalie, nur eine kurze Bedenkzeit. In dieſer ſon¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/317>, abgerufen am 17.06.2024.