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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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Natalie, bis dieser Saal fertig war. In
seinen letzten Jahren hatte er einige geschickte
Künstler an sich gezogen, und seine beste
Unterhaltung war die Zeichnungen und Car¬
tone zu diesen Gemählden aussinnen und be¬
stimmen zu helfen.

Wilhelm konnte sich nicht genug der Ge¬
genstände freuen, die ihn umgaben. Welch
ein Leben, rief er aus, in diesem Saale der
Vergangenheit! man könnte ihn eben so gut
den Saal der Gegenwart und der Zukunft
nennen. So war alles und so wird alles
seyn! Nichts ist vergänglich, als der Eine
der genießt und zuschaut. Hier dieses Bild
der Mutter, die ihr Kind ans Herz drückt,
wird viele Generationen glücklicher Mütter
überleben, nach Jahrhunderten vielleicht er¬
freut sich ein Vater dieses bärtigen Mannes,
der seinen Ernst ablegt, und sich mit seinem
Sohne neckt. So verschämt wird durch alle

Natalie, bis dieſer Saal fertig war. In
ſeinen letzten Jahren hatte er einige geſchickte
Künſtler an ſich gezogen, und ſeine beſte
Unterhaltung war die Zeichnungen und Car¬
tone zu dieſen Gemählden ausſinnen und be¬
ſtimmen zu helfen.

Wilhelm konnte ſich nicht genug der Ge¬
genſtände freuen, die ihn umgaben. Welch
ein Leben, rief er aus, in dieſem Saale der
Vergangenheit! man könnte ihn eben ſo gut
den Saal der Gegenwart und der Zukunft
nennen. So war alles und ſo wird alles
ſeyn! Nichts iſt vergänglich, als der Eine
der genießt und zuſchaut. Hier dieſes Bild
der Mutter, die ihr Kind ans Herz drückt,
wird viele Generationen glücklicher Mütter
überleben, nach Jahrhunderten vielleicht er¬
freut ſich ein Vater dieſes bärtigen Mannes,
der ſeinen Ernſt ablegt, und ſich mit ſeinem
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[325/0329] Natalie, bis dieſer Saal fertig war. In ſeinen letzten Jahren hatte er einige geſchickte Künſtler an ſich gezogen, und ſeine beſte Unterhaltung war die Zeichnungen und Car¬ tone zu dieſen Gemählden ausſinnen und be¬ ſtimmen zu helfen. Wilhelm konnte ſich nicht genug der Ge¬ genſtände freuen, die ihn umgaben. Welch ein Leben, rief er aus, in dieſem Saale der Vergangenheit! man könnte ihn eben ſo gut den Saal der Gegenwart und der Zukunft nennen. So war alles und ſo wird alles ſeyn! Nichts iſt vergänglich, als der Eine der genießt und zuſchaut. Hier dieſes Bild der Mutter, die ihr Kind ans Herz drückt, wird viele Generationen glücklicher Mütter überleben, nach Jahrhunderten vielleicht er¬ freut ſich ein Vater dieſes bärtigen Mannes, der ſeinen Ernſt ablegt, und ſich mit ſeinem Sohne neckt. So verſchämt wird durch alle

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/329>, abgerufen am 17.06.2024.