Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

theils bey Seite gebracht. Wir sprachen
nur nach unserer Art diejenigen los, die leb¬
haft fühlten und deutlich bekannten, wozu
sie gebohren seyen, und die sich genug geübt
hatten, um, mit einer gewissen Fröhlichkeit
und Leichtigkeit, ihren Weg zu verfolgen.

So haben Sie sich mit mir sehr übereilt,
versetzte Wilhelm, denn was ich kann, will
oder soll, weiß ich, grade seit jenem Augen¬
blick, am allerwenigsten. -- Wir sind ohne
Schuld in diese Verwirrung gerathen, das
gute Glück mag uns wieder heraushelfen;
indessen hören Sie nur: Derjenige, an dem
viel zu entwickeln ist, wird später über sich
und die Welt aufgeklärt. Es sind nur we¬
nige, die den Sinn haben und zugleich zur
That fähig sind. Der Sinn erweitert, aber
lähmt, die That belebt, aber beschränkt.

Ich bitte Sie, fiel Wilhelm ein, lesen
Sie mir von diesen wunderlichen Worten

theils bey Seite gebracht. Wir ſprachen
nur nach unſerer Art diejenigen los, die leb¬
haft fühlten und deutlich bekannten, wozu
ſie gebohren ſeyen, und die ſich genug geübt
hatten, um, mit einer gewiſſen Fröhlichkeit
und Leichtigkeit, ihren Weg zu verfolgen.

So haben Sie ſich mit mir ſehr übereilt,
verſetzte Wilhelm, denn was ich kann, will
oder ſoll, weiß ich, grade ſeit jenem Augen¬
blick, am allerwenigſten. — Wir ſind ohne
Schuld in dieſe Verwirrung gerathen, das
gute Glück mag uns wieder heraushelfen;
indeſſen hören Sie nur: Derjenige, an dem
viel zu entwickeln iſt, wird ſpäter über ſich
und die Welt aufgeklärt. Es ſind nur we¬
nige, die den Sinn haben und zugleich zur
That fähig ſind. Der Sinn erweitert, aber
lähmt, die That belebt, aber beſchränkt.

Ich bitte Sie, fiel Wilhelm ein, leſen
Sie mir von dieſen wunderlichen Worten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0353" n="349"/>
theils bey Seite gebracht. Wir &#x017F;prachen<lb/>
nur nach un&#x017F;erer Art diejenigen los, die leb¬<lb/>
haft fühlten und deutlich bekannten, wozu<lb/>
&#x017F;ie gebohren &#x017F;eyen, und die &#x017F;ich genug geübt<lb/>
hatten, um, mit einer gewi&#x017F;&#x017F;en Fröhlichkeit<lb/>
und Leichtigkeit, ihren Weg zu verfolgen.</p><lb/>
            <p>So haben Sie &#x017F;ich mit mir &#x017F;ehr übereilt,<lb/>
ver&#x017F;etzte Wilhelm, denn was ich kann, will<lb/>
oder &#x017F;oll, weiß ich, grade &#x017F;eit jenem Augen¬<lb/>
blick, am allerwenig&#x017F;ten. &#x2014; Wir &#x017F;ind ohne<lb/>
Schuld in die&#x017F;e Verwirrung gerathen, das<lb/>
gute Glück mag uns wieder heraushelfen;<lb/>
inde&#x017F;&#x017F;en hören Sie nur: Derjenige, an dem<lb/>
viel zu entwickeln i&#x017F;t, wird &#x017F;päter über &#x017F;ich<lb/>
und die Welt aufgeklärt. Es &#x017F;ind nur we¬<lb/>
nige, die den Sinn haben und zugleich zur<lb/>
That fähig &#x017F;ind. Der Sinn erweitert, aber<lb/>
lähmt, die That belebt, aber be&#x017F;chränkt.</p><lb/>
            <p>Ich bitte Sie, fiel Wilhelm ein, le&#x017F;en<lb/>
Sie mir von die&#x017F;en wunderlichen Worten<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[349/0353] theils bey Seite gebracht. Wir ſprachen nur nach unſerer Art diejenigen los, die leb¬ haft fühlten und deutlich bekannten, wozu ſie gebohren ſeyen, und die ſich genug geübt hatten, um, mit einer gewiſſen Fröhlichkeit und Leichtigkeit, ihren Weg zu verfolgen. So haben Sie ſich mit mir ſehr übereilt, verſetzte Wilhelm, denn was ich kann, will oder ſoll, weiß ich, grade ſeit jenem Augen¬ blick, am allerwenigſten. — Wir ſind ohne Schuld in dieſe Verwirrung gerathen, das gute Glück mag uns wieder heraushelfen; indeſſen hören Sie nur: Derjenige, an dem viel zu entwickeln iſt, wird ſpäter über ſich und die Welt aufgeklärt. Es ſind nur we¬ nige, die den Sinn haben und zugleich zur That fähig ſind. Der Sinn erweitert, aber lähmt, die That belebt, aber beſchränkt. Ich bitte Sie, fiel Wilhelm ein, leſen Sie mir von dieſen wunderlichen Worten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/353
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/353>, abgerufen am 17.06.2024.