Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

nichts mehr! Diese Phrasen haben mich schon
verwirrt genug gemacht. -- So will ich bey
der Erzählung bleiben, sagte Jarno, indem
er die Rolle halb zuwickelte, und nur manch¬
mal einen Blick hinein that. Ich selbst habe
der Gesellschaft und den Menschen am we¬
nigsten genutzt, ich bin ein sehr schlechter
Lehrmeister, es ist mir unerträglich zu sehen,
wenn jemand ungeschickte Versuche macht,
einem Irrenden muß ich gleich zurufen, und
wenn es ein Nachtwandler wäre, den ich in
Gefahr sähe auf dem rechten Wege den
Hals zu brechen. Darüber hatte ich nun
immer meine Noth mit dem Abbe, der be¬
hauptet, der Irrthum könne nur durch das
Irren geheilt werden. Auch über Sie haben
wir uns oft gestritten, er hatte Sie beson¬
ders in Gunst genommen, und es will schon
etwas heißen in dem hohen Grade seine
Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen; Sie müs¬

nichts mehr! Dieſe Phraſen haben mich ſchon
verwirrt genug gemacht. — So will ich bey
der Erzählung bleiben, ſagte Jarno, indem
er die Rolle halb zuwickelte, und nur manch¬
mal einen Blick hinein that. Ich ſelbſt habe
der Geſellſchaft und den Menſchen am we¬
nigſten genutzt, ich bin ein ſehr ſchlechter
Lehrmeiſter, es iſt mir unerträglich zu ſehen,
wenn jemand ungeſchickte Verſuche macht,
einem Irrenden muß ich gleich zurufen, und
wenn es ein Nachtwandler wäre, den ich in
Gefahr ſähe auf dem rechten Wege den
Hals zu brechen. Darüber hatte ich nun
immer meine Noth mit dem Abbé, der be¬
hauptet, der Irrthum könne nur durch das
Irren geheilt werden. Auch über Sie haben
wir uns oft geſtritten, er hatte Sie beſon¬
ders in Gunſt genommen, und es will ſchon
etwas heißen in dem hohen Grade ſeine
Aufmerkſamkeit auf ſich zu ziehen; Sie müſ¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0354" n="350"/>
nichts mehr! Die&#x017F;e Phra&#x017F;en haben mich &#x017F;chon<lb/>
verwirrt genug gemacht. &#x2014; So will ich bey<lb/>
der Erzählung bleiben, &#x017F;agte Jarno, indem<lb/>
er die Rolle halb zuwickelte, und nur manch¬<lb/>
mal einen Blick hinein that. Ich &#x017F;elb&#x017F;t habe<lb/>
der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft und den Men&#x017F;chen am we¬<lb/>
nig&#x017F;ten genutzt, ich bin ein &#x017F;ehr &#x017F;chlechter<lb/>
Lehrmei&#x017F;ter, es i&#x017F;t mir unerträglich zu &#x017F;ehen,<lb/>
wenn jemand unge&#x017F;chickte Ver&#x017F;uche macht,<lb/>
einem Irrenden muß ich gleich zurufen, und<lb/>
wenn es ein Nachtwandler wäre, den ich in<lb/>
Gefahr &#x017F;ähe auf dem rechten Wege den<lb/>
Hals zu brechen. Darüber hatte ich nun<lb/>
immer meine Noth mit dem Abbé, der be¬<lb/>
hauptet, der Irrthum könne nur durch das<lb/>
Irren geheilt werden. Auch über Sie haben<lb/>
wir uns oft ge&#x017F;tritten, er hatte Sie be&#x017F;on¬<lb/>
ders in Gun&#x017F;t genommen, und es will &#x017F;chon<lb/>
etwas heißen in dem hohen Grade &#x017F;eine<lb/>
Aufmerk&#x017F;amkeit auf &#x017F;ich zu ziehen; Sie mü&#x017F;¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[350/0354] nichts mehr! Dieſe Phraſen haben mich ſchon verwirrt genug gemacht. — So will ich bey der Erzählung bleiben, ſagte Jarno, indem er die Rolle halb zuwickelte, und nur manch¬ mal einen Blick hinein that. Ich ſelbſt habe der Geſellſchaft und den Menſchen am we¬ nigſten genutzt, ich bin ein ſehr ſchlechter Lehrmeiſter, es iſt mir unerträglich zu ſehen, wenn jemand ungeſchickte Verſuche macht, einem Irrenden muß ich gleich zurufen, und wenn es ein Nachtwandler wäre, den ich in Gefahr ſähe auf dem rechten Wege den Hals zu brechen. Darüber hatte ich nun immer meine Noth mit dem Abbé, der be¬ hauptet, der Irrthum könne nur durch das Irren geheilt werden. Auch über Sie haben wir uns oft geſtritten, er hatte Sie beſon¬ ders in Gunſt genommen, und es will ſchon etwas heißen in dem hohen Grade ſeine Aufmerkſamkeit auf ſich zu ziehen; Sie müſ¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/354
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/354>, abgerufen am 22.11.2024.