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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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Mein älterer Bruder hatte zu viel durch
die Härte unseres Vaters gelitten, als daß
er hätte bey dem Zustande des jüngsten un¬
gerührt bleiben können. Wir sprachen mit
dem Beichtvater unserer Familie, einem al¬
ten würdigen Manne, entdeckten ihm die
doppelte Absicht unseres Bruders, und baten
ihn die Sache einzuleiten und zu befördern.
Wider seine Gewohnheit zögerte er, und als
endlich unser Bruder in uns drang, und wir
die Angelegenheit dem Geistlichen lebhafter
empfahlen, mußte er sich entschließen uns die
sonderbare Geschichte zu entdecken.

Sperata war unsre Schwester, und zwar
sowohl von Vater als Mutter; Neigung
und Sinnlichkeit hatten den Mann in spä¬
teren Jahren nochmals überwältigt, in wel¬
chen das Recht der Ehegatten schon verlo¬
schen zu seyn scheint; über einen ähnlichen
Fall hatte man sich kurz vorher in der Ge¬

gend

Mein älterer Bruder hatte zu viel durch
die Härte unſeres Vaters gelitten, als daß
er hätte bey dem Zuſtande des jüngſten un¬
gerührt bleiben können. Wir ſprachen mit
dem Beichtvater unſerer Familie, einem al¬
ten würdigen Manne, entdeckten ihm die
doppelte Abſicht unſeres Bruders, und baten
ihn die Sache einzuleiten und zu befördern.
Wider ſeine Gewohnheit zögerte er, und als
endlich unſer Bruder in uns drang, und wir
die Angelegenheit dem Geiſtlichen lebhafter
empfahlen, mußte er ſich entſchließen uns die
ſonderbare Geſchichte zu entdecken.

Sperata war unſre Schweſter, und zwar
ſowohl von Vater als Mutter; Neigung
und Sinnlichkeit hatten den Mann in ſpä¬
teren Jahren nochmals überwältigt, in wel¬
chen das Recht der Ehegatten ſchon verlo¬
ſchen zu ſeyn ſcheint; über einen ähnlichen
Fall hatte man ſich kurz vorher in der Ge¬

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[432/0436] Mein älterer Bruder hatte zu viel durch die Härte unſeres Vaters gelitten, als daß er hätte bey dem Zuſtande des jüngſten un¬ gerührt bleiben können. Wir ſprachen mit dem Beichtvater unſerer Familie, einem al¬ ten würdigen Manne, entdeckten ihm die doppelte Abſicht unſeres Bruders, und baten ihn die Sache einzuleiten und zu befördern. Wider ſeine Gewohnheit zögerte er, und als endlich unſer Bruder in uns drang, und wir die Angelegenheit dem Geiſtlichen lebhafter empfahlen, mußte er ſich entſchließen uns die ſonderbare Geſchichte zu entdecken. Sperata war unſre Schweſter, und zwar ſowohl von Vater als Mutter; Neigung und Sinnlichkeit hatten den Mann in ſpä¬ teren Jahren nochmals überwältigt, in wel¬ chen das Recht der Ehegatten ſchon verlo¬ ſchen zu ſeyn ſcheint; über einen ähnlichen Fall hatte man ſich kurz vorher in der Ge¬ gend

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/436>, abgerufen am 22.11.2024.