verschiedene Kranke die Übel nicht, von de¬ nen sie sonst gequält wurden, sie hielten sich für geheilt, sie bekannten's, sie priesen Gott und seine neue Heilige. Die Geistlichkeit war genöthigt, den Körper in eine Capelle zu stellen, das Volk verlangte Gelegenheit seine Andacht zu verrichten, der Zudrang war unglaublich; die Bergbewohner, die oh¬ nedies zu lebhaften, religiösen Gefühlen ge¬ stimmt sind, drangen aus ihren Thälern her¬ bey; die Andacht, die Wunder, die Anbe¬ tung vermehrten sich mit jedem Tage. Die bischöfflichen Verordnungen, die einen solchen neuen Dienst einschränken und nach und nach niederschlagen sollten, konnten nicht zur Aus¬ führung gebracht werden; bey jedem Wi¬ derstand war das Volk heftig, und gegen jeden Ungläubigen bereit in Thätlichkeiten auszubrechen. Wandelte nicht auch, riefen sie, der heilige Borromäus unter unsern Vor¬
verſchiedene Kranke die Übel nicht, von de¬ nen ſie ſonſt gequält wurden, ſie hielten ſich für geheilt, ſie bekannten’s, ſie prieſen Gott und ſeine neue Heilige. Die Geiſtlichkeit war genöthigt, den Körper in eine Capelle zu ſtellen, das Volk verlangte Gelegenheit ſeine Andacht zu verrichten, der Zudrang war unglaublich; die Bergbewohner, die oh¬ nedies zu lebhaften, religiöſen Gefühlen ge¬ ſtimmt ſind, drangen aus ihren Thälern her¬ bey; die Andacht, die Wunder, die Anbe¬ tung vermehrten ſich mit jedem Tage. Die biſchöfflichen Verordnungen, die einen ſolchen neuen Dienſt einſchränken und nach und nach niederſchlagen ſollten, konnten nicht zur Aus¬ führung gebracht werden; bey jedem Wi¬ derſtand war das Volk heftig, und gegen jeden Ungläubigen bereit in Thätlichkeiten auszubrechen. Wandelte nicht auch, riefen ſie, der heilige Borromäus unter unſern Vor¬
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verſchiedene Kranke die Übel nicht, von de¬
nen ſie ſonſt gequält wurden, ſie hielten ſich
für geheilt, ſie bekannten’s, ſie prieſen Gott
und ſeine neue Heilige. Die Geiſtlichkeit
war genöthigt, den Körper in eine Capelle
zu ſtellen, das Volk verlangte Gelegenheit
ſeine Andacht zu verrichten, der Zudrang
war unglaublich; die Bergbewohner, die oh¬
nedies zu lebhaften, religiöſen Gefühlen ge¬
ſtimmt ſind, drangen aus ihren Thälern her¬
bey; die Andacht, die Wunder, die Anbe¬
tung vermehrten ſich mit jedem Tage. Die
biſchöfflichen Verordnungen, die einen ſolchen
neuen Dienſt einſchränken und nach und nach
niederſchlagen ſollten, konnten nicht zur Aus¬
führung gebracht werden; bey jedem Wi¬
derſtand war das Volk heftig, und gegen
jeden Ungläubigen bereit in Thätlichkeiten
auszubrechen. Wandelte nicht auch, riefen
ſie, der heilige Borromäus unter unſern Vor¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/463>, abgerufen am 22.11.2024.
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