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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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haftesten Freude, er ward den andern vor¬
gestellt, und betrug sich sehr vernünftig, und
wußte nicht, wie bekannt er der Gesellschaft
noch vor kurzem geworden war. Sie wer¬
den Geduld mit einem Menschen haben,
fuhr er mit großer Gelassenheit fort, der, so
erwachsen er auch aussieht, nach einem lan¬
gen Leiden erst wie ein unerfahrnes Kind in
die Welt tritt. Diesem wackren Mann bin
ich schuldig, daß ich wieder in einer mensch¬
lichen Gesellschaft erscheinen kann.

Man hieß ihn willkommen, und der Arzt
veranlaßte sogleich einen Spaziergang, um
das Gespräch abzubrechen, und ins Gleich¬
gültige zu lenken.

Als man allein war, gab der Arzt fol¬
gende Erklärung: Die Genesung dieses Man¬
nes ist uns durch den sonderbarsten Zufall
geglückt. Wir hatten ihn lange nach unse¬
rer Überzeugung moralisch und physisch be¬

hafteſten Freude, er ward den andern vor¬
geſtellt, und betrug ſich ſehr vernünftig, und
wußte nicht, wie bekannt er der Geſellſchaft
noch vor kurzem geworden war. Sie wer¬
den Geduld mit einem Menſchen haben,
fuhr er mit großer Gelaſſenheit fort, der, ſo
erwachſen er auch ausſieht, nach einem lan¬
gen Leiden erſt wie ein unerfahrnes Kind in
die Welt tritt. Dieſem wackren Mann bin
ich ſchuldig, daß ich wieder in einer menſch¬
lichen Geſellſchaft erſcheinen kann.

Man hieß ihn willkommen, und der Arzt
veranlaßte ſogleich einen Spaziergang, um
das Geſpräch abzubrechen, und ins Gleich¬
gültige zu lenken.

Als man allein war, gab der Arzt fol¬
gende Erklärung: Die Geneſung dieſes Man¬
nes iſt uns durch den ſonderbarſten Zufall
geglückt. Wir hatten ihn lange nach unſe¬
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[470/0474] hafteſten Freude, er ward den andern vor¬ geſtellt, und betrug ſich ſehr vernünftig, und wußte nicht, wie bekannt er der Geſellſchaft noch vor kurzem geworden war. Sie wer¬ den Geduld mit einem Menſchen haben, fuhr er mit großer Gelaſſenheit fort, der, ſo erwachſen er auch ausſieht, nach einem lan¬ gen Leiden erſt wie ein unerfahrnes Kind in die Welt tritt. Dieſem wackren Mann bin ich ſchuldig, daß ich wieder in einer menſch¬ lichen Geſellſchaft erſcheinen kann. Man hieß ihn willkommen, und der Arzt veranlaßte ſogleich einen Spaziergang, um das Geſpräch abzubrechen, und ins Gleich¬ gültige zu lenken. Als man allein war, gab der Arzt fol¬ gende Erklärung: Die Geneſung dieſes Man¬ nes iſt uns durch den ſonderbarſten Zufall geglückt. Wir hatten ihn lange nach unſe¬ rer Überzeugung moraliſch und phyſiſch be¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/474>, abgerufen am 22.11.2024.