Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Glase? das Kind fing an zu weinen. Der
Arzt erzählte Natalien im stillen, wie sich
die Sache verhalte, auch sie bemühte sich
vergebens, die Wahrheit von dem Kinde zu
erfahren, es weinte nur heftiger, und so lange
bis es einschlief.

Wilhelm wachte bey ihm, die Nacht ver¬
ging ruhig. Den andern Morgen fand man
Augustinen todt in seinem Bette, er hatte
die Aufmerksamkeit seiner Wärter durch eine
scheinbare Ruhe betrogen, den Verband still
aufgelöst, und sich verblutet. Natalie ging
mit dem Kinde spatzieren, es war munter wie
in seinen glücklichsten Tagen. Du bist doch
gut, sagte Felix zu ihr, du zankst nicht, du
schlägst mich nicht, ich will dirs nur sagen,
ich habe aus der Flasche getrunken; Mutter
Aurelie schlug mich immer auf die Finger,
wenn ich nach der Karavine griff, der Vater
sah so bös aus, ich dachte, er würde mich
schlagen.

Glaſe? das Kind fing an zu weinen. Der
Arzt erzählte Natalien im ſtillen, wie ſich
die Sache verhalte, auch ſie bemühte ſich
vergebens, die Wahrheit von dem Kinde zu
erfahren, es weinte nur heftiger, und ſo lange
bis es einſchlief.

Wilhelm wachte bey ihm, die Nacht ver¬
ging ruhig. Den andern Morgen fand man
Auguſtinen todt in ſeinem Bette, er hatte
die Aufmerkſamkeit ſeiner Wärter durch eine
ſcheinbare Ruhe betrogen, den Verband ſtill
aufgelöſt, und ſich verblutet. Natalie ging
mit dem Kinde ſpatzieren, es war munter wie
in ſeinen glücklichſten Tagen. Du biſt doch
gut, ſagte Felix zu ihr, du zankſt nicht, du
ſchlägſt mich nicht, ich will dirs nur ſagen,
ich habe aus der Flaſche getrunken; Mutter
Aurelie ſchlug mich immer auf die Finger,
wenn ich nach der Karavine griff, der Vater
ſah ſo bös aus, ich dachte, er würde mich
ſchlagen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0495" n="491"/>
Gla&#x017F;e? das Kind fing an zu weinen. Der<lb/>
Arzt erzählte Natalien im &#x017F;tillen, wie &#x017F;ich<lb/>
die Sache verhalte, auch &#x017F;ie bemühte &#x017F;ich<lb/>
vergebens, die Wahrheit von dem Kinde zu<lb/>
erfahren, es weinte nur heftiger, und &#x017F;o lange<lb/>
bis es ein&#x017F;chlief.</p><lb/>
            <p>Wilhelm wachte bey ihm, die Nacht ver¬<lb/>
ging ruhig. Den andern Morgen fand man<lb/>
Augu&#x017F;tinen todt in &#x017F;einem Bette, er hatte<lb/>
die Aufmerk&#x017F;amkeit &#x017F;einer Wärter durch eine<lb/>
&#x017F;cheinbare Ruhe betrogen, den Verband &#x017F;till<lb/>
aufgelö&#x017F;t, und &#x017F;ich verblutet. Natalie ging<lb/>
mit dem Kinde &#x017F;patzieren, es war munter wie<lb/>
in &#x017F;einen glücklich&#x017F;ten Tagen. Du bi&#x017F;t doch<lb/>
gut, &#x017F;agte Felix zu ihr, du zank&#x017F;t nicht, du<lb/>
&#x017F;chläg&#x017F;t mich nicht, ich will dirs nur &#x017F;agen,<lb/>
ich habe aus der Fla&#x017F;che getrunken; Mutter<lb/>
Aurelie &#x017F;chlug mich immer auf die Finger,<lb/>
wenn ich nach der Karavine griff, der Vater<lb/>
&#x017F;ah &#x017F;o bös aus, ich dachte, er würde mich<lb/>
&#x017F;chlagen.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[491/0495] Glaſe? das Kind fing an zu weinen. Der Arzt erzählte Natalien im ſtillen, wie ſich die Sache verhalte, auch ſie bemühte ſich vergebens, die Wahrheit von dem Kinde zu erfahren, es weinte nur heftiger, und ſo lange bis es einſchlief. Wilhelm wachte bey ihm, die Nacht ver¬ ging ruhig. Den andern Morgen fand man Auguſtinen todt in ſeinem Bette, er hatte die Aufmerkſamkeit ſeiner Wärter durch eine ſcheinbare Ruhe betrogen, den Verband ſtill aufgelöſt, und ſich verblutet. Natalie ging mit dem Kinde ſpatzieren, es war munter wie in ſeinen glücklichſten Tagen. Du biſt doch gut, ſagte Felix zu ihr, du zankſt nicht, du ſchlägſt mich nicht, ich will dirs nur ſagen, ich habe aus der Flaſche getrunken; Mutter Aurelie ſchlug mich immer auf die Finger, wenn ich nach der Karavine griff, der Vater ſah ſo bös aus, ich dachte, er würde mich ſchlagen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/495
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/495>, abgerufen am 02.06.2024.