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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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Mit beflügelten Schritten eilte Natalie
zu dem Schlosse, Wilhelm kam ihr, noch vol¬
ler Sorgen, entgegen. Glücklicher Vater!
rief sie laut, indem sie das Kind aufhob und
es ihm in die Arme warf, da hast du deinen
Sohn! er hat aus der Flasche getrunken,
seine Unart hat ihn gerettet.

Man erzählte den glücklichen Ausgang
dem Grafen, der aber nur mit lächelnder,
stillen, bescheidnen Gewißheit zuhörte, mit
der man den Irrthum guter Menschen er¬
tragen mag. Jarno, aufmerksam auf alles,
konnte diesmal eine solche hohe Selbstgenüg¬
samkeit nicht erklären, bis er endlich nach
manchen Umschweifen erfuhr: der Graf sey
überzeugt, das Kind habe wirklich Gift ge¬
nommen, er habe es aber durch sein Gebet
und durch das Auflegen seiner Hände, wun¬
derbar am Leben erhalten. Nun beschloß er
auch sogleich wegzugehn, gepackt war bey

Mit beflügelten Schritten eilte Natalie
zu dem Schloſſe, Wilhelm kam ihr, noch vol¬
ler Sorgen, entgegen. Glücklicher Vater!
rief ſie laut, indem ſie das Kind aufhob und
es ihm in die Arme warf, da haſt du deinen
Sohn! er hat aus der Flaſche getrunken,
ſeine Unart hat ihn gerettet.

Man erzählte den glücklichen Ausgang
dem Grafen, der aber nur mit lächelnder,
ſtillen, beſcheidnen Gewißheit zuhörte, mit
der man den Irrthum guter Menſchen er¬
tragen mag. Jarno, aufmerkſam auf alles,
konnte diesmal eine ſolche hohe Selbſtgenüg¬
ſamkeit nicht erklären, bis er endlich nach
manchen Umſchweifen erfuhr: der Graf ſey
überzeugt, das Kind habe wirklich Gift ge¬
nommen, er habe es aber durch ſein Gebet
und durch das Auflegen ſeiner Hände, wun¬
derbar am Leben erhalten. Nun beſchloß er
auch ſogleich wegzugehn, gepackt war bey

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[492/0496] Mit beflügelten Schritten eilte Natalie zu dem Schloſſe, Wilhelm kam ihr, noch vol¬ ler Sorgen, entgegen. Glücklicher Vater! rief ſie laut, indem ſie das Kind aufhob und es ihm in die Arme warf, da haſt du deinen Sohn! er hat aus der Flaſche getrunken, ſeine Unart hat ihn gerettet. Man erzählte den glücklichen Ausgang dem Grafen, der aber nur mit lächelnder, ſtillen, beſcheidnen Gewißheit zuhörte, mit der man den Irrthum guter Menſchen er¬ tragen mag. Jarno, aufmerkſam auf alles, konnte diesmal eine ſolche hohe Selbſtgenüg¬ ſamkeit nicht erklären, bis er endlich nach manchen Umſchweifen erfuhr: der Graf ſey überzeugt, das Kind habe wirklich Gift ge¬ nommen, er habe es aber durch ſein Gebet und durch das Auflegen ſeiner Hände, wun¬ derbar am Leben erhalten. Nun beſchloß er auch ſogleich wegzugehn, gepackt war bey

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/496>, abgerufen am 22.11.2024.