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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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das Opfer einer grausamen zufälligen Ver¬
wicklung, aus der ich mich heraus zu winden
unfähig war, so geben Sie mir die Versiche¬
rung Ihrer Liebe, Ihrer Freundschaft auf
eine Reise mit, die ich nicht länger verschie¬
ben darf. Es wird eine Zeit kommen, wo
ich Ihnen werde sagen können, was diese
Tage in mir vorgegangen ist, vielleicht leide
ich eben jetzt diese Strafe, weil ich mich Ih¬
nen nicht früh genug entdeckte, weil ich ge¬
zaudert habe, mich Ihnen ganz zu zeigen,
wie ich bin; Sie hätten mir beygestanden,
Sie hätten mir zur rechten Zeit los geholfen.
Aber und abermal gehen mir die Augen
über mich selbst auf, immer zu spät und im¬
mer umsonst. Wie sehr verdiente ich die
Strafrede Jarno's! Wie glaubte ich sie ge¬
faßt zu haben, wie hoffte ich sie zu nutzen,
ein neues Leben zu gewinnen! Konnte ichs?
Sollte ichs? Vergebens klagen wir Menschen

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das Opfer einer grauſamen zufälligen Ver¬
wicklung, aus der ich mich heraus zu winden
unfähig war, ſo geben Sie mir die Verſiche¬
rung Ihrer Liebe, Ihrer Freundſchaft auf
eine Reiſe mit, die ich nicht länger verſchie¬
ben darf. Es wird eine Zeit kommen, wo
ich Ihnen werde ſagen können, was dieſe
Tage in mir vorgegangen iſt, vielleicht leide
ich eben jetzt dieſe Strafe, weil ich mich Ih¬
nen nicht früh genug entdeckte, weil ich ge¬
zaudert habe, mich Ihnen ganz zu zeigen,
wie ich bin; Sie hätten mir beygeſtanden,
Sie hätten mir zur rechten Zeit los geholfen.
Aber und abermal gehen mir die Augen
über mich ſelbſt auf, immer zu ſpät und im¬
mer umſonſt. Wie ſehr verdiente ich die
Strafrede Jarno’s! Wie glaubte ich ſie ge¬
faßt zu haben, wie hoffte ich ſie zu nutzen,
ein neues Leben zu gewinnen! Konnte ichs?
Sollte ichs? Vergebens klagen wir Menſchen

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[499/0503] das Opfer einer grauſamen zufälligen Ver¬ wicklung, aus der ich mich heraus zu winden unfähig war, ſo geben Sie mir die Verſiche¬ rung Ihrer Liebe, Ihrer Freundſchaft auf eine Reiſe mit, die ich nicht länger verſchie¬ ben darf. Es wird eine Zeit kommen, wo ich Ihnen werde ſagen können, was dieſe Tage in mir vorgegangen iſt, vielleicht leide ich eben jetzt dieſe Strafe, weil ich mich Ih¬ nen nicht früh genug entdeckte, weil ich ge¬ zaudert habe, mich Ihnen ganz zu zeigen, wie ich bin; Sie hätten mir beygeſtanden, Sie hätten mir zur rechten Zeit los geholfen. Aber und abermal gehen mir die Augen über mich ſelbſt auf, immer zu ſpät und im¬ mer umſonſt. Wie ſehr verdiente ich die Strafrede Jarno’s! Wie glaubte ich ſie ge¬ faßt zu haben, wie hoffte ich ſie zu nutzen, ein neues Leben zu gewinnen! Konnte ichs? Sollte ichs? Vergebens klagen wir Menſchen I i 2

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 499. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/503>, abgerufen am 22.11.2024.