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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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dieser Gleichgültigkeit: Ewig! ewig! mit Hef¬
tigkeit aus, und dieses seltsame unbegreifliche
Wort ist hell und klar gegen die Finsterniß
meines Zustandes. Kein Strahl einer Gott¬
heit erscheint mir in dieser Nacht, ich weine
meine Thränen alle mir selbst und um mich
selbst. Nichts ist mir grausamer als Freund¬
schaft und Liebe, denn sie allein locken mir
den Wunsch ab, daß die Erscheinungen, die
mich umgeben, wirklich seyn möchten. Aber
auch diese beyden Gespenster sind nur aus
dem Abgrunde gestiegen, um mich zu äng¬
stigen, und um mir zuletzt auch das theure
Bewußtseyn dieses ungeheuren Daseyns zu
rauben.

Sie sollten ihn hören, fuhr der Arzt fort,
wenn er in vertraulichen Stunden auf diese
Weise sein Herz erleichtert; mit der größten
Rührung habe ich ihm einigemal zugehört.
Wenn sich ihm etwas aufdringt, das ihn

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dieſer Gleichgültigkeit: Ewig! ewig! mit Hef¬
tigkeit aus, und dieſes ſeltſame unbegreifliche
Wort iſt hell und klar gegen die Finſterniß
meines Zuſtandes. Kein Strahl einer Gott¬
heit erſcheint mir in dieſer Nacht, ich weine
meine Thränen alle mir ſelbſt und um mich
ſelbſt. Nichts iſt mir grauſamer als Freund¬
ſchaft und Liebe, denn ſie allein locken mir
den Wunſch ab, daß die Erſcheinungen, die
mich umgeben, wirklich ſeyn möchten. Aber
auch dieſe beyden Geſpenſter ſind nur aus
dem Abgrunde geſtiegen, um mich zu äng¬
ſtigen, und um mir zuletzt auch das theure
Bewußtſeyn dieſes ungeheuren Daſeyns zu
rauben.

Sie ſollten ihn hören, fuhr der Arzt fort,
wenn er in vertraulichen Stunden auf dieſe
Weiſe ſein Herz erleichtert; mit der größten
Rührung habe ich ihm einigemal zugehört.
Wenn ſich ihm etwas aufdringt, das ihn

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[49/0053] dieſer Gleichgültigkeit: Ewig! ewig! mit Hef¬ tigkeit aus, und dieſes ſeltſame unbegreifliche Wort iſt hell und klar gegen die Finſterniß meines Zuſtandes. Kein Strahl einer Gott¬ heit erſcheint mir in dieſer Nacht, ich weine meine Thränen alle mir ſelbſt und um mich ſelbſt. Nichts iſt mir grauſamer als Freund¬ ſchaft und Liebe, denn ſie allein locken mir den Wunſch ab, daß die Erſcheinungen, die mich umgeben, wirklich ſeyn möchten. Aber auch dieſe beyden Geſpenſter ſind nur aus dem Abgrunde geſtiegen, um mich zu äng¬ ſtigen, und um mir zuletzt auch das theure Bewußtſeyn dieſes ungeheuren Daſeyns zu rauben. Sie ſollten ihn hören, fuhr der Arzt fort, wenn er in vertraulichen Stunden auf dieſe Weiſe ſein Herz erleichtert; mit der größten Rührung habe ich ihm einigemal zugehört. Wenn ſich ihm etwas aufdringt, das ihn D

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/53>, abgerufen am 28.11.2024.