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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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werden, aufgezeichnet, und mehrere Lieder
nach und nach zusammengesetzt.

Den andern Morgen kam Jarno zu Wil¬
helmen, und sagte zu ihm: Sie müssen uns
einen Gefallen thun; Lydie muß einige Zeit
entfernt werden, ihre heftige, und, ich darf
wohl sagen, unbequeme Liebe und Leiden¬
schaft hindert des Barons Genesung. Seine
Wunde verlangt Ruhe und Gelassenheit, ob
sie gleich bey seiner guten Natur nicht ge¬
fährlich ist. Sie haben gesehen, wie ihn Ly¬
die mit stürmischer Sorgfalt, unbezwinglicher
Angst und nie versiegenden Thränen quält,
und -- genug, setzte er nach einer Pause,
mit einem Lächeln, hinzu, der Medikus ver¬
langt ausdrücklich, daß sie das Haus auf ei¬
nige Zeit verlassen solle. Wir haben ihr ein¬
gebildet, eine sehr gute Freundin halte sich
in der Nähe auf, verlange sie zu sehen und
erwarte sie jeden Augenblick. Sie hat sich

werden, aufgezeichnet, und mehrere Lieder
nach und nach zuſammengeſetzt.

Den andern Morgen kam Jarno zu Wil¬
helmen, und ſagte zu ihm: Sie müſſen uns
einen Gefallen thun; Lydie muß einige Zeit
entfernt werden, ihre heftige, und, ich darf
wohl ſagen, unbequeme Liebe und Leiden¬
ſchaft hindert des Barons Geneſung. Seine
Wunde verlangt Ruhe und Gelaſſenheit, ob
ſie gleich bey ſeiner guten Natur nicht ge¬
fährlich iſt. Sie haben geſehen, wie ihn Ly¬
die mit ſtürmiſcher Sorgfalt, unbezwinglicher
Angſt und nie verſiegenden Thränen quält,
und — genug, ſetzte er nach einer Pauſe,
mit einem Lächeln, hinzu, der Medikus ver¬
langt ausdrücklich, daß ſie das Haus auf ei¬
nige Zeit verlaſſen ſolle. Wir haben ihr ein¬
gebildet, eine ſehr gute Freundin halte ſich
in der Nähe auf, verlange ſie zu ſehen und
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[53/0057] werden, aufgezeichnet, und mehrere Lieder nach und nach zuſammengeſetzt. Den andern Morgen kam Jarno zu Wil¬ helmen, und ſagte zu ihm: Sie müſſen uns einen Gefallen thun; Lydie muß einige Zeit entfernt werden, ihre heftige, und, ich darf wohl ſagen, unbequeme Liebe und Leiden¬ ſchaft hindert des Barons Geneſung. Seine Wunde verlangt Ruhe und Gelaſſenheit, ob ſie gleich bey ſeiner guten Natur nicht ge¬ fährlich iſt. Sie haben geſehen, wie ihn Ly¬ die mit ſtürmiſcher Sorgfalt, unbezwinglicher Angſt und nie verſiegenden Thränen quält, und — genug, ſetzte er nach einer Pauſe, mit einem Lächeln, hinzu, der Medikus ver¬ langt ausdrücklich, daß ſie das Haus auf ei¬ nige Zeit verlaſſen ſolle. Wir haben ihr ein¬ gebildet, eine ſehr gute Freundin halte ſich in der Nähe auf, verlange ſie zu ſehen und erwarte ſie jeden Augenblick. Sie hat ſich

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/57>, abgerufen am 28.11.2024.