Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

so mehr, als Jarno, von dem er einige Aus¬
kunft verlangte, kurz abbrach, und sich ent¬
fernte.

Die neue nahe Hofnung, jene verehrte
und geliebte Gestalt wieder zu sehen, brachte
in ihm die sonderbarsten Bewegungen her¬
vor. Er hielt nunmehr den Auftrag, der
ihm gegeben worden war, für ein Werk ei¬
ner ausdrücklichen Schickung, und der Ge¬
danke, daß er ein armes Mädchen von dem
Gegenstande ihrer aufrichtigsten und heftig¬
sten Liebe hinterlistig zu entfernen im Be¬
griff war, erschien ihm nur im Vorüber¬
gehen, wie der Schatten eines Vogels über
die erleuchtete Erde wegfliegt.

Der Wagen stand vor der Thüre, Lydie
zauderte einen Augenblick hinein zu steigen;
grüßt euren Herren nochmals, sagte sie zu
dem alten Bedienten, vor Abends bin ich
wieder zurück. Thränen standen ihr im

ſo mehr, als Jarno, von dem er einige Aus¬
kunft verlangte, kurz abbrach, und ſich ent¬
fernte.

Die neue nahe Hofnung, jene verehrte
und geliebte Geſtalt wieder zu ſehen, brachte
in ihm die ſonderbarſten Bewegungen her¬
vor. Er hielt nunmehr den Auftrag, der
ihm gegeben worden war, für ein Werk ei¬
ner ausdrücklichen Schickung, und der Ge¬
danke, daß er ein armes Mädchen von dem
Gegenſtande ihrer aufrichtigſten und heftig¬
ſten Liebe hinterliſtig zu entfernen im Be¬
griff war, erſchien ihm nur im Vorüber¬
gehen, wie der Schatten eines Vogels über
die erleuchtete Erde wegfliegt.

Der Wagen ſtand vor der Thüre, Lydie
zauderte einen Augenblick hinein zu ſteigen;
grüßt euren Herren nochmals, ſagte ſie zu
dem alten Bedienten, vor Abends bin ich
wieder zurück. Thränen ſtanden ihr im

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0061" n="57"/>
&#x017F;o mehr, als Jarno, von dem er einige Aus¬<lb/>
kunft verlangte, kurz abbrach, und &#x017F;ich ent¬<lb/>
fernte.</p><lb/>
            <p>Die neue nahe Hofnung, jene verehrte<lb/>
und geliebte Ge&#x017F;talt wieder zu &#x017F;ehen, brachte<lb/>
in ihm die &#x017F;onderbar&#x017F;ten Bewegungen her¬<lb/>
vor. Er hielt nunmehr den Auftrag, der<lb/>
ihm gegeben worden war, für ein Werk ei¬<lb/>
ner ausdrücklichen Schickung, und der Ge¬<lb/>
danke, daß er ein armes Mädchen von dem<lb/>
Gegen&#x017F;tande ihrer aufrichtig&#x017F;ten und heftig¬<lb/>
&#x017F;ten Liebe hinterli&#x017F;tig zu entfernen im Be¬<lb/>
griff war, er&#x017F;chien ihm nur im Vorüber¬<lb/>
gehen, wie der Schatten eines Vogels über<lb/>
die erleuchtete Erde wegfliegt.</p><lb/>
            <p>Der Wagen &#x017F;tand vor der Thüre, Lydie<lb/>
zauderte einen Augenblick hinein zu &#x017F;teigen;<lb/>
grüßt euren Herren nochmals, &#x017F;agte &#x017F;ie zu<lb/>
dem alten Bedienten, vor Abends bin ich<lb/>
wieder zurück. Thränen &#x017F;tanden ihr im<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[57/0061] ſo mehr, als Jarno, von dem er einige Aus¬ kunft verlangte, kurz abbrach, und ſich ent¬ fernte. Die neue nahe Hofnung, jene verehrte und geliebte Geſtalt wieder zu ſehen, brachte in ihm die ſonderbarſten Bewegungen her¬ vor. Er hielt nunmehr den Auftrag, der ihm gegeben worden war, für ein Werk ei¬ ner ausdrücklichen Schickung, und der Ge¬ danke, daß er ein armes Mädchen von dem Gegenſtande ihrer aufrichtigſten und heftig¬ ſten Liebe hinterliſtig zu entfernen im Be¬ griff war, erſchien ihm nur im Vorüber¬ gehen, wie der Schatten eines Vogels über die erleuchtete Erde wegfliegt. Der Wagen ſtand vor der Thüre, Lydie zauderte einen Augenblick hinein zu ſteigen; grüßt euren Herren nochmals, ſagte ſie zu dem alten Bedienten, vor Abends bin ich wieder zurück. Thränen ſtanden ihr im

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/61
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/61>, abgerufen am 28.11.2024.