Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

die Rede, den ich höher schätzen muß als
irgend jemand, den ich vorher kannte. O
welch ein Mann ist das! Fräulein, und
welche Menschen umgeben ihn! in dieser
Gesellschaft hab ich, so darf ich wohl sagen,
zum erstenmal ein Gespräch geführt, zum
erstenmal kam mir der eigenste Sinn meiner
Worte aus dem Munde eines andern reich¬
haltiger, voller und in einem größern Um¬
fang wieder entgegen, was ich ahndete ward
mir klar, und was ich meynte lernte ich an¬
schauen. Leider ward dieser Genuß erst durch
allerley Sorgen und Grillen, dann durch
den unangenehmen Auftrag unterbrochen. Ich
übernahm ihn mit Ergebung, denn ich hielt
für Schuldigkeit, selbst mit Aufopferung mei¬
nes Gefühls, diesem trefflichen Kreise von
Menschen meinen Einstand abzutragen.

Therese hatte unter diesen Worten ihren
Gast sehr freundlich angesehen. O! wie süß

E

die Rede, den ich höher ſchätzen muß als
irgend jemand, den ich vorher kannte. O
welch ein Mann iſt das! Fräulein, und
welche Menſchen umgeben ihn! in dieſer
Geſellſchaft hab ich, ſo darf ich wohl ſagen,
zum erſtenmal ein Geſpräch geführt, zum
erſtenmal kam mir der eigenſte Sinn meiner
Worte aus dem Munde eines andern reich¬
haltiger, voller und in einem größern Um¬
fang wieder entgegen, was ich ahndete ward
mir klar, und was ich meynte lernte ich an¬
ſchauen. Leider ward dieſer Genuß erſt durch
allerley Sorgen und Grillen, dann durch
den unangenehmen Auftrag unterbrochen. Ich
übernahm ihn mit Ergebung, denn ich hielt
für Schuldigkeit, ſelbſt mit Aufopferung mei¬
nes Gefühls, dieſem trefflichen Kreiſe von
Menſchen meinen Einſtand abzutragen.

Thereſe hatte unter dieſen Worten ihren
Gaſt ſehr freundlich angeſehen. O! wie ſüß

E
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0069" n="65"/>
die Rede, den ich höher &#x017F;chätzen muß als<lb/>
irgend jemand, den ich vorher kannte. O<lb/>
welch ein Mann i&#x017F;t das! Fräulein, und<lb/>
welche Men&#x017F;chen umgeben ihn! in die&#x017F;er<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft hab ich, &#x017F;o darf ich wohl &#x017F;agen,<lb/>
zum er&#x017F;tenmal ein Ge&#x017F;präch geführt, zum<lb/>
er&#x017F;tenmal kam mir der eigen&#x017F;te Sinn meiner<lb/>
Worte aus dem Munde eines andern reich¬<lb/>
haltiger, voller und in einem größern Um¬<lb/>
fang wieder entgegen, was ich ahndete ward<lb/>
mir klar, und was ich meynte lernte ich an¬<lb/>
&#x017F;chauen. Leider ward die&#x017F;er Genuß er&#x017F;t durch<lb/>
allerley Sorgen und Grillen, dann durch<lb/>
den unangenehmen Auftrag unterbrochen. Ich<lb/>
übernahm ihn mit Ergebung, denn ich hielt<lb/>
für Schuldigkeit, &#x017F;elb&#x017F;t mit Aufopferung mei¬<lb/>
nes Gefühls, die&#x017F;em trefflichen Krei&#x017F;e von<lb/>
Men&#x017F;chen meinen Ein&#x017F;tand abzutragen.</p><lb/>
            <p>There&#x017F;e hatte unter die&#x017F;en Worten ihren<lb/>
Ga&#x017F;t &#x017F;ehr freundlich ange&#x017F;ehen. O! wie &#x017F;üß<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0069] die Rede, den ich höher ſchätzen muß als irgend jemand, den ich vorher kannte. O welch ein Mann iſt das! Fräulein, und welche Menſchen umgeben ihn! in dieſer Geſellſchaft hab ich, ſo darf ich wohl ſagen, zum erſtenmal ein Geſpräch geführt, zum erſtenmal kam mir der eigenſte Sinn meiner Worte aus dem Munde eines andern reich¬ haltiger, voller und in einem größern Um¬ fang wieder entgegen, was ich ahndete ward mir klar, und was ich meynte lernte ich an¬ ſchauen. Leider ward dieſer Genuß erſt durch allerley Sorgen und Grillen, dann durch den unangenehmen Auftrag unterbrochen. Ich übernahm ihn mit Ergebung, denn ich hielt für Schuldigkeit, ſelbſt mit Aufopferung mei¬ nes Gefühls, dieſem trefflichen Kreiſe von Menſchen meinen Einſtand abzutragen. Thereſe hatte unter dieſen Worten ihren Gaſt ſehr freundlich angeſehen. O! wie ſüß E

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/69
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/69>, abgerufen am 27.11.2024.