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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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gend, ihre Verhältnisse waren ihr zuwider.
Sie wollte auf ein anderes Gut ziehen, da
war es ihr zu einsam; sie wollte nach der
Stadt, da galt sie nicht genug. Ich weiß
nicht, was alles zwischen ihr und meinem
Vater vorging, genug er entschloß sich end¬
lich unter Bedingungen, die ich nicht erfuhr,
in eine Reise, die sie nach dem südlichen
Frankreich thun wollte, einzuwilligen.

Wir waren nun frey und lebten wie im
Himmel; ja ich glaube, daß mein Vater nichts
verlohren hat, wenn er ihre Gegenwart auch
schon mit einer ansehnlichen Summe ab¬
kaufte. Alles unnütze Gesinde ward abge¬
schaft, und das Glück schien unsere Ordnung
zu begünstigen; wir hatten einige sehr gute
Jahre, alles gelang nach Wunsch. Aber
leider dieser frohe Zustand dauerte nicht
lange, ganz unvermuthet ward mein Vater
von einem Schlagflusse befallen, der ihm

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gend, ihre Verhältniſſe waren ihr zuwider.
Sie wollte auf ein anderes Gut ziehen, da
war es ihr zu einſam; ſie wollte nach der
Stadt, da galt ſie nicht genug. Ich weiß
nicht, was alles zwiſchen ihr und meinem
Vater vorging, genug er entſchloß ſich end¬
lich unter Bedingungen, die ich nicht erfuhr,
in eine Reiſe, die ſie nach dem ſüdlichen
Frankreich thun wollte, einzuwilligen.

Wir waren nun frey und lebten wie im
Himmel; ja ich glaube, daß mein Vater nichts
verlohren hat, wenn er ihre Gegenwart auch
ſchon mit einer anſehnlichen Summe ab¬
kaufte. Alles unnütze Geſinde ward abge¬
ſchaft, und das Glück ſchien unſere Ordnung
zu begünſtigen; wir hatten einige ſehr gute
Jahre, alles gelang nach Wunſch. Aber
leider dieſer frohe Zuſtand dauerte nicht
lange, ganz unvermuthet ward mein Vater
von einem Schlagfluſſe befallen, der ihm

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[83/0087] gend, ihre Verhältniſſe waren ihr zuwider. Sie wollte auf ein anderes Gut ziehen, da war es ihr zu einſam; ſie wollte nach der Stadt, da galt ſie nicht genug. Ich weiß nicht, was alles zwiſchen ihr und meinem Vater vorging, genug er entſchloß ſich end¬ lich unter Bedingungen, die ich nicht erfuhr, in eine Reiſe, die ſie nach dem ſüdlichen Frankreich thun wollte, einzuwilligen. Wir waren nun frey und lebten wie im Himmel; ja ich glaube, daß mein Vater nichts verlohren hat, wenn er ihre Gegenwart auch ſchon mit einer anſehnlichen Summe ab¬ kaufte. Alles unnütze Geſinde ward abge¬ ſchaft, und das Glück ſchien unſere Ordnung zu begünſtigen; wir hatten einige ſehr gute Jahre, alles gelang nach Wunſch. Aber leider dieſer frohe Zuſtand dauerte nicht lange, ganz unvermuthet ward mein Vater von einem Schlagfluſſe befallen, der ihm F 2

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/87>, abgerufen am 25.11.2024.