die rechte Seite lähmte, und den reinen Ge¬ brauch der Sprache benahm. Man mußte alles errathen, was er verlangte, denn er brachte nie das Wort hervor, das er im Sinne hatte. Sehr ängstlich waren mir da¬ her manche Augenblicke, in denen er mit mir ausdrücklich allein seyn wollte; er deutete mit heftiger Gebärde, daß jedermann sich entfernen sollte, und wenn wir uns allein sahen, war er nicht im Stande das rechte Wort hervor zu bringen; seine Ungeduld stieg aufs äußerste und sein Zustand betrübte mich im innersten Herzen. So viel schien mir gewiß, daß er mir etwas zu vertrauen hatte, das mich besonders anging. Welches Ver¬ langen fühlt' ich nicht es zu erfahren! Sonst konnt ich ihm alles an den Augen ansehen; aber jetzt war es vergebens, selbst seine Au¬ gen sprachen nicht mehr! nur so viel war mir deutlich: er wollte nichts, er begehrte
die rechte Seite lähmte, und den reinen Ge¬ brauch der Sprache benahm. Man mußte alles errathen, was er verlangte, denn er brachte nie das Wort hervor, das er im Sinne hatte. Sehr ängſtlich waren mir da¬ her manche Augenblicke, in denen er mit mir ausdrücklich allein ſeyn wollte; er deutete mit heftiger Gebärde, daß jedermann ſich entfernen ſollte, und wenn wir uns allein ſahen, war er nicht im Stande das rechte Wort hervor zu bringen; ſeine Ungeduld ſtieg aufs äußerſte und ſein Zuſtand betrübte mich im innerſten Herzen. So viel ſchien mir gewiß, daß er mir etwas zu vertrauen hatte, das mich beſonders anging. Welches Ver¬ langen fühlt’ ich nicht es zu erfahren! Sonſt konnt ich ihm alles an den Augen anſehen; aber jetzt war es vergebens, ſelbſt ſeine Au¬ gen ſprachen nicht mehr! nur ſo viel war mir deutlich: er wollte nichts, er begehrte
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die rechte Seite lähmte, und den reinen Ge¬
brauch der Sprache benahm. Man mußte
alles errathen, was er verlangte, denn er
brachte nie das Wort hervor, das er im
Sinne hatte. Sehr ängſtlich waren mir da¬
her manche Augenblicke, in denen er mit mir
ausdrücklich allein ſeyn wollte; er deutete
mit heftiger Gebärde, daß jedermann ſich
entfernen ſollte, und wenn wir uns allein
ſahen, war er nicht im Stande das rechte
Wort hervor zu bringen; ſeine Ungeduld ſtieg
aufs äußerſte und ſein Zuſtand betrübte mich
im innerſten Herzen. So viel ſchien mir
gewiß, daß er mir etwas zu vertrauen hatte,
das mich beſonders anging. Welches Ver¬
langen fühlt’ ich nicht es zu erfahren! Sonſt
konnt ich ihm alles an den Augen anſehen;
aber jetzt war es vergebens, ſelbſt ſeine Au¬
gen ſprachen nicht mehr! nur ſo viel war
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/88>, abgerufen am 25.11.2024.
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