Goethe, Johann Wolfgang von: Reinecke Fuchs. In zwölf Gesängen. Berlin, 1794 (= Goethe's Neue Schriften, Bd. 2).Aber höret mich weiter. Ist einer unächt gebohren, Sey er ruhig darüber, was kann er weiter zur Sache? Denn ich meyne nur so, versteht mich. Wird sich ein solcher Nur mit Demuth betragen und nicht durch eitles Benehmen Andre reizen, so fällt es nicht auf, und hätte man Unrecht Ueber dergleichen Leute zu reden. Es macht die Geburt uns Weder edel noch gut, noch kann sie zur Schan- de gereichen. Aber Tugend und Laster, sie unterscheiden die Menschen. Gute, gelehrte geistliche Männer, man hält sie, wie billig Hoch in Ehren, doch geben die Bösen ein bö- ses Exempel. Aber hoͤret mich weiter. Ist einer unaͤcht gebohren, Sey er ruhig daruͤber, was kann er weiter zur Sache? Denn ich meyne nur so, versteht mich. Wird sich ein solcher Nur mit Demuth betragen und nicht durch eitles Benehmen Andre reizen, so faͤllt es nicht auf, und haͤtte man Unrecht Ueber dergleichen Leute zu reden. Es macht die Geburt uns Weder edel noch gut, noch kann sie zur Schan- de gereichen. Aber Tugend und Laster, sie unterscheiden die Menschen. Gute, gelehrte geistliche Maͤnner, man haͤlt sie, wie billig Hoch in Ehren, doch geben die Boͤsen ein boͤ- ses Exempel. <TEI> <text> <body> <div> <div type="poem"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0298" n="290"/> <lg n="14"> <l>Aber hoͤret mich weiter. Ist einer unaͤcht<lb/><space dim="horizontal"/>gebohren,</l><lb/> <l>Sey er ruhig daruͤber, was kann er weiter<lb/><space dim="horizontal"/>zur Sache?</l><lb/> <l>Denn ich meyne nur so, versteht mich. Wird<lb/><space dim="horizontal"/>sich ein solcher</l><lb/> <l>Nur mit Demuth betragen und nicht durch<lb/><space dim="horizontal"/>eitles Benehmen</l><lb/> <l>Andre reizen, so faͤllt es nicht auf, und haͤtte<lb/><space dim="horizontal"/>man Unrecht</l><lb/> <l>Ueber dergleichen Leute zu reden. Es macht<lb/><space dim="horizontal"/>die Geburt uns</l><lb/> <l>Weder edel noch gut, noch kann sie zur Schan-<lb/><space dim="horizontal"/>de gereichen.</l><lb/> <l>Aber Tugend und Laster, sie unterscheiden die<lb/><space dim="horizontal"/>Menschen.</l><lb/> <l>Gute, gelehrte geistliche Maͤnner, man haͤlt sie,<lb/><space dim="horizontal"/>wie billig</l><lb/> <l>Hoch in Ehren, doch geben die Boͤsen ein boͤ-<lb/><space dim="horizontal"/>ses Exempel.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [290/0298]
Aber hoͤret mich weiter. Ist einer unaͤcht
gebohren,
Sey er ruhig daruͤber, was kann er weiter
zur Sache?
Denn ich meyne nur so, versteht mich. Wird
sich ein solcher
Nur mit Demuth betragen und nicht durch
eitles Benehmen
Andre reizen, so faͤllt es nicht auf, und haͤtte
man Unrecht
Ueber dergleichen Leute zu reden. Es macht
die Geburt uns
Weder edel noch gut, noch kann sie zur Schan-
de gereichen.
Aber Tugend und Laster, sie unterscheiden die
Menschen.
Gute, gelehrte geistliche Maͤnner, man haͤlt sie,
wie billig
Hoch in Ehren, doch geben die Boͤsen ein boͤ-
ses Exempel.
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(2016-09-02T14:50:32Z)
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
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