Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.Torquato Tasso Ja, alles flieht mich nun. Auch du!Auch du! Geliebte Fürstinn, du entziehst dich mir. In diesen trüben Stunden hat sie mir Kein einzig Zeichen ihrer Gunst gesandt. Hab' ich's um sie verdient? -- Du armes Herz, Dem so natürlich war sie zu verehren! -- Vernahm ich ihre Stimme, wie durchdrang Ein unaussprechliches Gefühl die Brust! Erblickt' ich sie, da ward das helle Licht Des Tag's mir trüb'; unwiderstehlich zog Ihr Auge mich, ihr Mund mich an, mein Knie Erhielt sich kaum, und aller Kraft Des Geist's bedurft' ich, aufrecht mich zu halten, Vor ihre Füße nicht zu fallen, kaum Vermocht' ich diesen Taumel zu zerstreun. Hier halte fest, mein Herz! Du klarer Sinn, Laß hier dich nicht umnebeln! Ja auch Sie! Darf ich es sagen? und ich glaub' es kaum, Torquato Taſſo Ja, alles flieht mich nun. Auch du!Auch du! Geliebte Fürſtinn, du entziehſt dich mir. In dieſen trüben Stunden hat ſie mir Kein einzig Zeichen ihrer Gunſt geſandt. Hab’ ich’s um ſie verdient? — Du armes Herz, Dem ſo natürlich war ſie zu verehren! — Vernahm ich ihre Stimme, wie durchdrang Ein unausſprechliches Gefühl die Bruſt! Erblickt’ ich ſie, da ward das helle Licht Des Tag’s mir trüb’; unwiderſtehlich zog Ihr Auge mich, ihr Mund mich an, mein Knie Erhielt ſich kaum, und aller Kraft Des Geiſt’s bedurft’ ich, aufrecht mich zu halten, Vor ihre Füße nicht zu fallen, kaum Vermocht’ ich dieſen Taumel zu zerſtreun. Hier halte feſt, mein Herz! Du klarer Sinn, Laß hier dich nicht umnebeln! Ja auch Sie! Darf ich es ſagen? und ich glaub’ es kaum, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#TAS"> <pb facs="#f0188" n="180"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Torquato Taſſo</hi> </fw><lb/> <p>Ja, alles flieht mich nun. Auch du!<lb/> Auch du!<lb/> Geliebte Fürſtinn, du entziehſt dich mir.<lb/> In dieſen trüben Stunden hat ſie mir<lb/> Kein einzig Zeichen ihrer Gunſt geſandt.<lb/> Hab’ ich’s um ſie verdient? — Du armes<lb/> Herz,<lb/> Dem ſo natürlich war ſie zu verehren! —<lb/> Vernahm ich ihre Stimme, wie durchdrang<lb/> Ein unausſprechliches Gefühl die Bruſt!<lb/> Erblickt’ ich ſie, da ward das helle Licht<lb/> Des Tag’s mir trüb’; unwiderſtehlich zog<lb/> Ihr Auge mich, ihr Mund mich an, mein<lb/> Knie<lb/> Erhielt ſich kaum, und aller Kraft<lb/> Des Geiſt’s bedurft’ ich, aufrecht mich zu<lb/> halten,<lb/> Vor ihre Füße nicht zu fallen, kaum<lb/> Vermocht’ ich dieſen Taumel zu zerſtreun.<lb/> Hier halte feſt, mein Herz! Du klarer Sinn,<lb/> Laß hier dich nicht umnebeln! Ja auch Sie!<lb/> Darf ich es ſagen? und ich glaub’ es kaum,<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [180/0188]
Torquato Taſſo
Ja, alles flieht mich nun. Auch du!
Auch du!
Geliebte Fürſtinn, du entziehſt dich mir.
In dieſen trüben Stunden hat ſie mir
Kein einzig Zeichen ihrer Gunſt geſandt.
Hab’ ich’s um ſie verdient? — Du armes
Herz,
Dem ſo natürlich war ſie zu verehren! —
Vernahm ich ihre Stimme, wie durchdrang
Ein unausſprechliches Gefühl die Bruſt!
Erblickt’ ich ſie, da ward das helle Licht
Des Tag’s mir trüb’; unwiderſtehlich zog
Ihr Auge mich, ihr Mund mich an, mein
Knie
Erhielt ſich kaum, und aller Kraft
Des Geiſt’s bedurft’ ich, aufrecht mich zu
halten,
Vor ihre Füße nicht zu fallen, kaum
Vermocht’ ich dieſen Taumel zu zerſtreun.
Hier halte feſt, mein Herz! Du klarer Sinn,
Laß hier dich nicht umnebeln! Ja auch Sie!
Darf ich es ſagen? und ich glaub’ es kaum,
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_torquato_1790/188>, abgerufen am 16.02.2025. |