Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.Ein Schauspiel. Und läßt er nicht vielmehr sich wie ein KindVon allem reitzen, was dem Gaumen schmei- chelt? Wann mischt er Wasser unter seinen Wein? Gewürze, süße Sachen, stark Getränke, Eins um das andre schlingt er hastig ein, Und dann beklagt er seinen trüben Sinn, Sein feurig Blut, sein allzu heftig Wesen. Er schilt auf die Natur und das Geschick. Wie bitter und wie thöricht hab' ich ihn Nicht oft mit seinem Arzte rechten sehn; Zum Lachen fast, wär' irgend lächerlich Was einen Menschen quält und andre plagt. "Ich fühle dieses Übel," sagt er bänglich Und voll Verdruß: "Was rühmt ihre eure Kunst? "Schafft mir Genesung!" Gut versetzt der Arzt, So meidet das und das -- "Das kann ich nicht" -- So nehmet diesen Trank -- "O nein! der schmeckt Ein Schauſpiel. Und läßt er nicht vielmehr ſich wie ein KindVon allem reitzen, was dem Gaumen ſchmei- chelt? Wann miſcht er Waſſer unter ſeinen Wein? Gewürze, ſüße Sachen, ſtark Getränke, Eins um das andre ſchlingt er haſtig ein, Und dann beklagt er ſeinen trüben Sinn, Sein feurig Blut, ſein allzu heftig Weſen. Er ſchilt auf die Natur und das Geſchick. Wie bitter und wie thöricht hab’ ich ihn Nicht oft mit ſeinem Arzte rechten ſehn; Zum Lachen faſt, wär’ irgend lächerlich Was einen Menſchen quält und andre plagt. „Ich fühle dieſes Übel,“ ſagt er bänglich Und voll Verdruß: „Was rühmt ihre eure Kunſt? „Schafft mir Geneſung!“ Gut verſetzt der Arzt, So meidet das und das — „Das kann ich nicht“ — So nehmet dieſen Trank — „O nein! der ſchmeckt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#ANT"> <p><pb facs="#f0195" n="187"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ein Schauſpiel</hi>.</fw><lb/> Und läßt er nicht vielmehr ſich wie ein Kind<lb/> Von allem reitzen, was dem Gaumen ſchmei-<lb/> chelt?<lb/> Wann miſcht er Waſſer unter ſeinen Wein?<lb/> Gewürze, ſüße Sachen, ſtark Getränke,<lb/> Eins um das andre ſchlingt er haſtig ein,<lb/> Und dann beklagt er ſeinen trüben Sinn,<lb/> Sein feurig Blut, ſein allzu heftig Weſen.<lb/> Er ſchilt auf die <choice><sic>Natnr</sic><corr>Natur</corr></choice> und das Geſchick.<lb/> Wie bitter und wie thöricht hab’ ich ihn<lb/> Nicht oft mit ſeinem Arzte rechten ſehn;<lb/> Zum Lachen faſt, wär’ irgend lächerlich<lb/> Was einen Menſchen quält und andre plagt.<lb/> „Ich fühle dieſes Übel,“ ſagt er bänglich<lb/> Und voll Verdruß: „Was rühmt ihre eure<lb/> Kunſt?<lb/> „Schafft mir Geneſung!“ Gut verſetzt der<lb/> Arzt,<lb/> So meidet das und das — „Das kann ich<lb/> nicht“ —<lb/> So nehmet dieſen Trank — „O nein! der<lb/> ſchmeckt<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [187/0195]
Ein Schauſpiel.
Und läßt er nicht vielmehr ſich wie ein Kind
Von allem reitzen, was dem Gaumen ſchmei-
chelt?
Wann miſcht er Waſſer unter ſeinen Wein?
Gewürze, ſüße Sachen, ſtark Getränke,
Eins um das andre ſchlingt er haſtig ein,
Und dann beklagt er ſeinen trüben Sinn,
Sein feurig Blut, ſein allzu heftig Weſen.
Er ſchilt auf die Natur und das Geſchick.
Wie bitter und wie thöricht hab’ ich ihn
Nicht oft mit ſeinem Arzte rechten ſehn;
Zum Lachen faſt, wär’ irgend lächerlich
Was einen Menſchen quält und andre plagt.
„Ich fühle dieſes Übel,“ ſagt er bänglich
Und voll Verdruß: „Was rühmt ihre eure
Kunſt?
„Schafft mir Geneſung!“ Gut verſetzt der
Arzt,
So meidet das und das — „Das kann ich
nicht“ —
So nehmet dieſen Trank — „O nein! der
ſchmeckt
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