Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.Ein Schauspiel. Antonio. Es ist gewiß, ein ungemäßigt Leben, Wie es uns schwere, wilde Träume gibt, Macht uns zuletzt am hellen Tage träumen. Was ist sein Argwohn anders als ein Traum? Wohin er tritt, glaubt er von Feinden sich Umgeben. Sein Talent kann niemand sehn, Der ihn nicht neidet, niemand ihn beneiden, Der ihn nicht haßt und bitter ihn verfolgt. So hat er oft mit Klagen dich belästigt: Erbrochne Schlösser, aufgefangne Briefe, Und Gift und Dolch! Was alles vor ihm schwebt! Du hast es untersuchen lassen, untersucht, Und hast du was gefunden? Kaum den Schein. Der Schutz von keinem Fürsten macht ihn sicher, Der Busen keines Freundes kann ihn laben. Und willst du einem solchen Ruh' und Glück, Willst du von ihm wohl Freude dir ver- sprechen? Ein Schauſpiel. Antonio. Es iſt gewiß, ein ungemäßigt Leben, Wie es uns ſchwere, wilde Träume gibt, Macht uns zuletzt am hellen Tage träumen. Was iſt ſein Argwohn anders als ein Traum? Wohin er tritt, glaubt er von Feinden ſich Umgeben. Sein Talent kann niemand ſehn, Der ihn nicht neidet, niemand ihn beneiden, Der ihn nicht haßt und bitter ihn verfolgt. So hat er oft mit Klagen dich beläſtigt: Erbrochne Schlöſſer, aufgefangne Briefe, Und Gift und Dolch! Was alles vor ihm ſchwebt! Du haſt es unterſuchen laſſen, unterſucht, Und haſt du was gefunden? Kaum den Schein. Der Schutz von keinem Fürſten macht ihn ſicher, Der Buſen keines Freundes kann ihn laben. Und willſt du einem ſolchen Ruh’ und Glück, Willſt du von ihm wohl Freude dir ver- ſprechen? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0197" n="189"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ein Schauſpiel</hi>.</fw><lb/> <sp who="#ANT"> <speaker><hi rendition="#g">Antonio</hi>.</speaker><lb/> <p>Es iſt gewiß, ein ungemäßigt Leben,<lb/> Wie es uns ſchwere, wilde Träume gibt,<lb/> Macht uns zuletzt am hellen Tage träumen.<lb/> Was iſt ſein Argwohn anders als ein Traum?<lb/> Wohin er tritt, glaubt er von Feinden ſich<lb/> Umgeben. Sein Talent kann niemand ſehn,<lb/> Der ihn nicht neidet, niemand ihn beneiden,<lb/> Der ihn nicht haßt und bitter ihn verfolgt.<lb/> So hat er oft mit Klagen dich beläſtigt:<lb/> Erbrochne Schlöſſer, aufgefangne Briefe,<lb/> Und Gift und Dolch! Was alles vor ihm<lb/> ſchwebt!<lb/> Du haſt es unterſuchen laſſen, unterſucht,<lb/> Und haſt du was gefunden? Kaum den<lb/> Schein.<lb/> Der Schutz von keinem Fürſten macht ihn<lb/> ſicher,<lb/> Der Buſen keines Freundes kann ihn laben.<lb/> Und willſt du einem ſolchen Ruh’ und Glück,<lb/> Willſt du von ihm wohl Freude <hi rendition="#g">dir</hi> ver-<lb/> ſprechen?</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [189/0197]
Ein Schauſpiel.
Antonio.
Es iſt gewiß, ein ungemäßigt Leben,
Wie es uns ſchwere, wilde Träume gibt,
Macht uns zuletzt am hellen Tage träumen.
Was iſt ſein Argwohn anders als ein Traum?
Wohin er tritt, glaubt er von Feinden ſich
Umgeben. Sein Talent kann niemand ſehn,
Der ihn nicht neidet, niemand ihn beneiden,
Der ihn nicht haßt und bitter ihn verfolgt.
So hat er oft mit Klagen dich beläſtigt:
Erbrochne Schlöſſer, aufgefangne Briefe,
Und Gift und Dolch! Was alles vor ihm
ſchwebt!
Du haſt es unterſuchen laſſen, unterſucht,
Und haſt du was gefunden? Kaum den
Schein.
Der Schutz von keinem Fürſten macht ihn
ſicher,
Der Buſen keines Freundes kann ihn laben.
Und willſt du einem ſolchen Ruh’ und Glück,
Willſt du von ihm wohl Freude dir ver-
ſprechen?
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