Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.Torquato Tasso Prinzessinn. Du hast dich sehr in diese Wissenschaft Vertieft, Eleonore, sagst mir Dinge, Die mir beynahe nur das Ohr berühren Und in die Seele kaum noch übergehn. Leonore. Du? Schülerinn des Plato! nicht begreifen? Was dir ein Neuling vorzuschwatzen wagt. Es müßte seyn daß ich zu sehr mich irrte, Doch irr' ich auch nicht ganz, ich weiß es wohl. Die Liebe zeigt in dieser holden Schule Sich nicht, wie sonst, als ein verwöhntes Kind: Es ist der Jüngling der mit Psychen sich Vermählte, der im Rath der Götter Sitz Und Stimme hat. Er tobt nicht frevelhaft Von einer Brust zur andern hin und her; Er heftet sich an Schönheit und Gestalt Nicht gleich mit süßem Irrthum fest, und büßet Nicht schnellen Rausch mit Ekel und Verdruß. Torquato Taſſo Prinzeſſinn. Du haſt dich ſehr in dieſe Wiſſenſchaft Vertieft, Eleonore, ſagſt mir Dinge, Die mir beynahe nur das Ohr berühren Und in die Seele kaum noch übergehn. Leonore. Du? Schülerinn des Plato! nicht begreifen? Was dir ein Neuling vorzuſchwatzen wagt. Es müßte ſeyn daß ich zu ſehr mich irrte, Doch irr’ ich auch nicht ganz, ich weiß es wohl. Die Liebe zeigt in dieſer holden Schule Sich nicht, wie ſonſt, als ein verwöhntes Kind: Es iſt der Jüngling der mit Pſychen ſich Vermählte, der im Rath der Götter Sitz Und Stimme hat. Er tobt nicht frevelhaft Von einer Bruſt zur andern hin und her; Er heftet ſich an Schönheit und Geſtalt Nicht gleich mit ſüßem Irrthum feſt, und büßet Nicht ſchnellen Rauſch mit Ekel und Verdruß. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0024" n="16"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Torquato Taſſo</hi> </fw><lb/> <sp who="#PRI"> <speaker><hi rendition="#g">Prinzeſſinn</hi>.</speaker><lb/> <p>Du haſt dich ſehr in dieſe Wiſſenſchaft<lb/> Vertieft, Eleonore, ſagſt mir Dinge,<lb/> Die mir beynahe nur das Ohr berühren<lb/> Und in die Seele kaum noch übergehn.</p> </sp><lb/> <sp who="#LEO"> <speaker><hi rendition="#g">Leonore</hi>.</speaker><lb/> <p>Du? Schülerinn des Plato! nicht begreifen?<lb/> Was dir ein Neuling vorzuſchwatzen wagt.<lb/> Es müßte ſeyn daß ich zu ſehr mich irrte,<lb/> Doch irr’ ich auch nicht ganz, ich weiß es<lb/> wohl.<lb/> Die Liebe zeigt in dieſer holden Schule<lb/> Sich nicht, wie ſonſt, als ein verwöhntes Kind:<lb/> Es iſt der Jüngling der mit Pſychen ſich<lb/> Vermählte, der im Rath der Götter Sitz<lb/> Und Stimme hat. Er tobt nicht frevelhaft<lb/> Von einer Bruſt zur andern hin und her;<lb/> Er heftet ſich an Schönheit und Geſtalt<lb/> Nicht gleich mit ſüßem Irrthum feſt, und<lb/> büßet<lb/> Nicht ſchnellen Rauſch mit Ekel und Verdruß.</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [16/0024]
Torquato Taſſo
Prinzeſſinn.
Du haſt dich ſehr in dieſe Wiſſenſchaft
Vertieft, Eleonore, ſagſt mir Dinge,
Die mir beynahe nur das Ohr berühren
Und in die Seele kaum noch übergehn.
Leonore.
Du? Schülerinn des Plato! nicht begreifen?
Was dir ein Neuling vorzuſchwatzen wagt.
Es müßte ſeyn daß ich zu ſehr mich irrte,
Doch irr’ ich auch nicht ganz, ich weiß es
wohl.
Die Liebe zeigt in dieſer holden Schule
Sich nicht, wie ſonſt, als ein verwöhntes Kind:
Es iſt der Jüngling der mit Pſychen ſich
Vermählte, der im Rath der Götter Sitz
Und Stimme hat. Er tobt nicht frevelhaft
Von einer Bruſt zur andern hin und her;
Er heftet ſich an Schönheit und Geſtalt
Nicht gleich mit ſüßem Irrthum feſt, und
büßet
Nicht ſchnellen Rauſch mit Ekel und Verdruß.
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