Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.Torquato Tasso Erkenn' ich wohl, ich hab' es nur von euch.Wenn die Natur der Dichtung holde Gabe Aus reicher Willkür freundlich mir geschenkt, So hatte mich das eigensinn'ge Glück Mit grimmiger Gewalt von sich gestoßen: Und zog die schöne Welt den Blick des Knaben Mit ihrer ganzen Fülle herrlich an, So trübte bald den jugendlichen Sinn Der theuren Eltern unverdiente Noth. Eröffnete die Lippe sich zu singen, So floß ein traurig Lied von ihr herab, Und ich begleitete mit leisen Tönen Des Vaters Schmerzen und der Mutter Qual. Du warst allein der aus dem engen Leben Zu einer schönen Freyheit mich erhob; Der jede Sorge mir vom Haupte nahm, Mir Freyheit gab, daß meine Seele sich Zu muthigem Gesang entfalten konnte; Und welchen Preis nun auch mein Werk er- hält, Euch dank' ich ihn, denn Euch gehört es zu. Torquato Taſſo Erkenn’ ich wohl, ich hab’ es nur von euch.Wenn die Natur der Dichtung holde Gabe Aus reicher Willkür freundlich mir geſchenkt, So hatte mich das eigenſinn’ge Glück Mit grimmiger Gewalt von ſich geſtoßen: Und zog die ſchöne Welt den Blick des Knaben Mit ihrer ganzen Fülle herrlich an, So trübte bald den jugendlichen Sinn Der theuren Eltern unverdiente Noth. Eröffnete die Lippe ſich zu ſingen, So floß ein traurig Lied von ihr herab, Und ich begleitete mit leiſen Tönen Des Vaters Schmerzen und der Mutter Qual. Du warſt allein der aus dem engen Leben Zu einer ſchönen Freyheit mich erhob; Der jede Sorge mir vom Haupte nahm, Mir Freyheit gab, daß meine Seele ſich Zu muthigem Geſang entfalten konnte; Und welchen Preis nun auch mein Werk er- hält, Euch dank’ ich ihn, denn Euch gehört es zu. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#TAS"> <p><pb facs="#f0036" n="28"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Torquato Taſſo</hi></fw><lb/> Erkenn’ ich wohl, ich hab’ es nur von euch.<lb/> Wenn die Natur der Dichtung holde Gabe<lb/> Aus reicher Willkür freundlich mir geſchenkt,<lb/> So hatte mich das eigenſinn’ge Glück<lb/> Mit grimmiger Gewalt von ſich geſtoßen:<lb/> Und zog die ſchöne Welt den Blick des Knaben<lb/> Mit ihrer ganzen Fülle herrlich an,<lb/> So trübte bald den jugendlichen Sinn<lb/> Der theuren Eltern unverdiente Noth.<lb/> Eröffnete die Lippe ſich zu ſingen,<lb/> So floß ein traurig Lied von ihr herab,<lb/> Und ich begleitete mit leiſen Tönen<lb/> Des Vaters Schmerzen und der Mutter<lb/> Qual.<lb/> Du warſt allein der aus dem engen Leben<lb/> Zu einer ſchönen Freyheit mich erhob;<lb/> Der jede Sorge mir vom Haupte nahm,<lb/> Mir Freyheit gab, daß meine Seele ſich<lb/> Zu muthigem Geſang entfalten konnte;<lb/> Und welchen Preis nun auch mein Werk er-<lb/> hält,<lb/> Euch dank’ ich ihn, denn Euch gehört es zu.</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [28/0036]
Torquato Taſſo
Erkenn’ ich wohl, ich hab’ es nur von euch.
Wenn die Natur der Dichtung holde Gabe
Aus reicher Willkür freundlich mir geſchenkt,
So hatte mich das eigenſinn’ge Glück
Mit grimmiger Gewalt von ſich geſtoßen:
Und zog die ſchöne Welt den Blick des Knaben
Mit ihrer ganzen Fülle herrlich an,
So trübte bald den jugendlichen Sinn
Der theuren Eltern unverdiente Noth.
Eröffnete die Lippe ſich zu ſingen,
So floß ein traurig Lied von ihr herab,
Und ich begleitete mit leiſen Tönen
Des Vaters Schmerzen und der Mutter
Qual.
Du warſt allein der aus dem engen Leben
Zu einer ſchönen Freyheit mich erhob;
Der jede Sorge mir vom Haupte nahm,
Mir Freyheit gab, daß meine Seele ſich
Zu muthigem Geſang entfalten konnte;
Und welchen Preis nun auch mein Werk er-
hält,
Euch dank’ ich ihn, denn Euch gehört es zu.
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