Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.Ein Schauspiel. Prinzessinn. Nicht das! Allein ihr strebt nach fernen Gü- tern, Und euer Streben muß gewaltsam seyn. Ihr wagt es, für die Ewigkeit zu handeln, Wenn wir ein einzig nah beschränktes Gut Auf dieser Erde nur besitzen möchten, Und wünschen, daß es uns beständig bliebe. Wir sind von keinem Männerherzen sicher, Das noch so warm sich einmal uns ergab. Die Schönheit ist vergänglich, die ihr doch Allein zu ehren scheint. Was übrig bleibt, Das reitzt nicht mehr, und was nicht reitzt, ist todt. Wenn's Männer gäbe, die ein weiblich Herz Zu schätzen wüßten, die erkennen möchten, Welch einen holden Schatz von Treu' und Liebe Der Busen einer Frau bewahren kann, Wenn das Gedächtniß einzig schöner Stunden In euren Seelen lebhaft bleiben wollte, Wenn euer Blick, der sonst durchdringend ist, Auch durch den Schleyer dringen könnte, den E 2
Ein Schauſpiel. Prinzeſſinn. Nicht das! Allein ihr ſtrebt nach fernen Gü- tern, Und euer Streben muß gewaltſam ſeyn. Ihr wagt es, für die Ewigkeit zu handeln, Wenn wir ein einzig nah beſchränktes Gut Auf dieſer Erde nur beſitzen möchten, Und wünſchen, daß es uns beſtändig bliebe. Wir ſind von keinem Männerherzen ſicher, Das noch ſo warm ſich einmal uns ergab. Die Schönheit iſt vergänglich, die ihr doch Allein zu ehren ſcheint. Was übrig bleibt, Das reitzt nicht mehr, und was nicht reitzt, iſt todt. Wenn’s Männer gäbe, die ein weiblich Herz Zu ſchätzen wüßten, die erkennen möchten, Welch einen holden Schatz von Treu’ und Liebe Der Buſen einer Frau bewahren kann, Wenn das Gedächtniß einzig ſchöner Stunden In euren Seelen lebhaft bleiben wollte, Wenn euer Blick, der ſonſt durchdringend iſt, Auch durch den Schleyer dringen könnte, den E 2
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Ein Schauſpiel.
Prinzeſſinn.
Nicht das! Allein ihr ſtrebt nach fernen Gü-
tern,
Und euer Streben muß gewaltſam ſeyn.
Ihr wagt es, für die Ewigkeit zu handeln,
Wenn wir ein einzig nah beſchränktes Gut
Auf dieſer Erde nur beſitzen möchten,
Und wünſchen, daß es uns beſtändig bliebe.
Wir ſind von keinem Männerherzen ſicher,
Das noch ſo warm ſich einmal uns ergab.
Die Schönheit iſt vergänglich, die ihr doch
Allein zu ehren ſcheint. Was übrig bleibt,
Das reitzt nicht mehr, und was nicht reitzt, iſt
todt.
Wenn’s Männer gäbe, die ein weiblich Herz
Zu ſchätzen wüßten, die erkennen möchten,
Welch einen holden Schatz von Treu’ und Liebe
Der Buſen einer Frau bewahren kann,
Wenn das Gedächtniß einzig ſchöner Stunden
In euren Seelen lebhaft bleiben wollte,
Wenn euer Blick, der ſonſt durchdringend iſt,
Auch durch den Schleyer dringen könnte, den
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