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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809.

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an sein Herz drücken könnte. Doch dieß hätte
er unter keiner Bedingung gethan, aus mehr
als einer Ursache: er fürchtete sie zu beleidi¬
gen, sie zu beschädigen.

Wie dieß gemeint sey, erfahren wir so¬
gleich. Denn als er nun herabgelangt, ihr
unter den hohen Bäumen am ländlichen Ti¬
sche gegenüber saß, die freundliche Müllerinn
nach Milch, der bewillkommende Müller Char¬
lotten und dem Hauptmann entgegen gesandt
war, fing Eduard mit einigem Zaudern zu
sprechen an.

Ich habe eine Bitte, liebe Ottilie: ver¬
zeihen Sie mir die, wenn Sie mir sie auch
versagen. Sie machen kein Geheimniß dar¬
aus, und es braucht es auch nicht, daß Sie
unter Ihrem Gewand, auf Ihrer Brust ein
Miniaturbild tragen. Es ist das Bild Ih¬
res Vaters, des braven Mannes, den Sie
kaum gekannt, und der in jedem Sinne eine

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an ſein Herz druͤcken koͤnnte. Doch dieß haͤtte
er unter keiner Bedingung gethan, aus mehr
als einer Urſache: er fuͤrchtete ſie zu beleidi¬
gen, ſie zu beſchaͤdigen.

Wie dieß gemeint ſey, erfahren wir ſo¬
gleich. Denn als er nun herabgelangt, ihr
unter den hohen Baͤumen am laͤndlichen Ti¬
ſche gegenuͤber ſaß, die freundliche Muͤllerinn
nach Milch, der bewillkommende Muͤller Char¬
lotten und dem Hauptmann entgegen geſandt
war, fing Eduard mit einigem Zaudern zu
ſprechen an.

Ich habe eine Bitte, liebe Ottilie: ver¬
zeihen Sie mir die, wenn Sie mir ſie auch
verſagen. Sie machen kein Geheimniß dar¬
aus, und es braucht es auch nicht, daß Sie
unter Ihrem Gewand, auf Ihrer Bruſt ein
Miniaturbild tragen. Es iſt das Bild Ih¬
res Vaters, des braven Mannes, den Sie
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[131/0136] an ſein Herz druͤcken koͤnnte. Doch dieß haͤtte er unter keiner Bedingung gethan, aus mehr als einer Urſache: er fuͤrchtete ſie zu beleidi¬ gen, ſie zu beſchaͤdigen. Wie dieß gemeint ſey, erfahren wir ſo¬ gleich. Denn als er nun herabgelangt, ihr unter den hohen Baͤumen am laͤndlichen Ti¬ ſche gegenuͤber ſaß, die freundliche Muͤllerinn nach Milch, der bewillkommende Muͤller Char¬ lotten und dem Hauptmann entgegen geſandt war, fing Eduard mit einigem Zaudern zu ſprechen an. Ich habe eine Bitte, liebe Ottilie: ver¬ zeihen Sie mir die, wenn Sie mir ſie auch verſagen. Sie machen kein Geheimniß dar¬ aus, und es braucht es auch nicht, daß Sie unter Ihrem Gewand, auf Ihrer Bruſt ein Miniaturbild tragen. Es iſt das Bild Ih¬ res Vaters, des braven Mannes, den Sie kaum gekannt, und der in jedem Sinne eine 9 *

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/136>, abgerufen am 21.11.2024.