Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

ordentlich schön; ich habe es im Vorbeygehen
bemerkt.

Sie hat Recht! rief Eduard: wie konnte
uns das nicht einfallen? Nicht wahr, so ist
es gemeint, Ottilie? -- Er nahm einen Bley¬
stift und strich ein längliches Viereck recht stark
und derb auf die Anhöhe.

Dem Hauptmann fuhr das durch die Seele:
denn er sah einen sorgfältigen, reinlich gezeich¬
neten Plan ungern auf diese Weise verun¬
staltet; doch faßte er sich nach einer leisen
Misbilligung und ging auf den Gedanken
ein. Ottilie hat Recht, sagte er: Macht
man nicht gern eine entfernte Spazirfahrt,
um einen Kaffee zu trinken, einen Fisch zu
genießen, der uns zu Hause nicht so gut ge¬
schmeckt hätte. Wir verlangen Abwechselung
und fremde Gegenstände. Das Schloß haben
die Alten mit Vernunft hieher gebaut: denn
es liegt geschützt vor den Winden, und nah

ordentlich ſchoͤn; ich habe es im Vorbeygehen
bemerkt.

Sie hat Recht! rief Eduard: wie konnte
uns das nicht einfallen? Nicht wahr, ſo iſt
es gemeint, Ottilie? — Er nahm einen Bley¬
ſtift und ſtrich ein laͤngliches Viereck recht ſtark
und derb auf die Anhoͤhe.

Dem Hauptmann fuhr das durch die Seele:
denn er ſah einen ſorgfaͤltigen, reinlich gezeich¬
neten Plan ungern auf dieſe Weiſe verun¬
ſtaltet; doch faßte er ſich nach einer leiſen
Misbilligung und ging auf den Gedanken
ein. Ottilie hat Recht, ſagte er: Macht
man nicht gern eine entfernte Spazirfahrt,
um einen Kaffee zu trinken, einen Fiſch zu
genießen, der uns zu Hauſe nicht ſo gut ge¬
ſchmeckt haͤtte. Wir verlangen Abwechſelung
und fremde Gegenſtaͤnde. Das Schloß haben
die Alten mit Vernunft hieher gebaut: denn
es liegt geſchuͤtzt vor den Winden, und nah

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0144" n="139"/>
ordentlich &#x017F;cho&#x0364;n; ich habe es im Vorbeygehen<lb/>
bemerkt.</p><lb/>
        <p>Sie hat Recht! rief Eduard: wie konnte<lb/>
uns das nicht einfallen? Nicht wahr, &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
es gemeint, Ottilie? &#x2014; Er nahm einen Bley¬<lb/>
&#x017F;tift und &#x017F;trich ein la&#x0364;ngliches Viereck recht &#x017F;tark<lb/>
und derb auf die Anho&#x0364;he.</p><lb/>
        <p>Dem Hauptmann fuhr das durch die Seele:<lb/>
denn er &#x017F;ah einen &#x017F;orgfa&#x0364;ltigen, reinlich gezeich¬<lb/>
neten Plan ungern auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e verun¬<lb/>
&#x017F;taltet; doch faßte er &#x017F;ich nach einer lei&#x017F;en<lb/>
Misbilligung und ging auf den Gedanken<lb/>
ein. Ottilie hat Recht, &#x017F;agte er: Macht<lb/>
man nicht gern eine entfernte Spazirfahrt,<lb/>
um einen Kaffee zu trinken, einen Fi&#x017F;ch zu<lb/>
genießen, der uns zu Hau&#x017F;e nicht &#x017F;o gut ge¬<lb/>
&#x017F;chmeckt ha&#x0364;tte. Wir verlangen Abwech&#x017F;elung<lb/>
und fremde Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde. Das Schloß haben<lb/>
die Alten mit Vernunft hieher gebaut: denn<lb/>
es liegt ge&#x017F;chu&#x0364;tzt vor den Winden, und nah<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0144] ordentlich ſchoͤn; ich habe es im Vorbeygehen bemerkt. Sie hat Recht! rief Eduard: wie konnte uns das nicht einfallen? Nicht wahr, ſo iſt es gemeint, Ottilie? — Er nahm einen Bley¬ ſtift und ſtrich ein laͤngliches Viereck recht ſtark und derb auf die Anhoͤhe. Dem Hauptmann fuhr das durch die Seele: denn er ſah einen ſorgfaͤltigen, reinlich gezeich¬ neten Plan ungern auf dieſe Weiſe verun¬ ſtaltet; doch faßte er ſich nach einer leiſen Misbilligung und ging auf den Gedanken ein. Ottilie hat Recht, ſagte er: Macht man nicht gern eine entfernte Spazirfahrt, um einen Kaffee zu trinken, einen Fiſch zu genießen, der uns zu Hauſe nicht ſo gut ge¬ ſchmeckt haͤtte. Wir verlangen Abwechſelung und fremde Gegenſtaͤnde. Das Schloß haben die Alten mit Vernunft hieher gebaut: denn es liegt geſchuͤtzt vor den Winden, und nah

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/144
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/144>, abgerufen am 21.11.2024.