mer nur Hymnen sind über die Vortrefflichkeit eines solchen Kindes, die ich denn recht gut in meine Prose zu übersetzen weiß: so ist da¬ gegen, was sie schließlich von Ottilien er¬ wähnt, nur immer Entschuldigung auf Ent¬ schuldigung, daß ein übrigens so schön heran¬ wachsendes Mädchen sich nicht entwickeln, keine Fähigkeiten und keine Fertigkeiten zeigen wolle. Das wenige was sie sonst noch hinzufügt ist gleichfalls für mich kein Räthsel, weil ich in diesem lieben Kinde den ganzen Character ih¬ rer Mutter, meiner werthesten Freundinn, gewahr werde, die sich neben mir entwickelt hat und deren Tochter ich gewiß, wenn ich Erzieherinn oder Aufseherinn seyn könnte, zu einem herrlichen Geschöpf heraufbilden wollte.
Da es aber einmal nicht in unsern Plan geht, und man an seinen Lebensverhältnissen nicht so viel zupfen und zerren, nicht immer was neues an sie heranziehen soll; so trag ich das lieber, ja ich überwinde die unangenehme
mer nur Hymnen ſind uͤber die Vortrefflichkeit eines ſolchen Kindes, die ich denn recht gut in meine Proſe zu uͤberſetzen weiß: ſo iſt da¬ gegen, was ſie ſchließlich von Ottilien er¬ waͤhnt, nur immer Entſchuldigung auf Ent¬ ſchuldigung, daß ein uͤbrigens ſo ſchoͤn heran¬ wachſendes Maͤdchen ſich nicht entwickeln, keine Faͤhigkeiten und keine Fertigkeiten zeigen wolle. Das wenige was ſie ſonſt noch hinzufuͤgt iſt gleichfalls fuͤr mich kein Raͤthſel, weil ich in dieſem lieben Kinde den ganzen Character ih¬ rer Mutter, meiner wertheſten Freundinn, gewahr werde, die ſich neben mir entwickelt hat und deren Tochter ich gewiß, wenn ich Erzieherinn oder Aufſeherinn ſeyn koͤnnte, zu einem herrlichen Geſchoͤpf heraufbilden wollte.
Da es aber einmal nicht in unſern Plan geht, und man an ſeinen Lebensverhaͤltniſſen nicht ſo viel zupfen und zerren, nicht immer was neues an ſie heranziehen ſoll; ſo trag ich das lieber, ja ich uͤberwinde die unangenehme
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0032"n="27"/>
mer nur Hymnen ſind uͤber die Vortrefflichkeit<lb/>
eines ſolchen Kindes, die ich denn recht gut<lb/>
in meine Proſe zu uͤberſetzen weiß: ſo iſt da¬<lb/>
gegen, was ſie ſchließlich von Ottilien er¬<lb/>
waͤhnt, nur immer Entſchuldigung auf Ent¬<lb/>ſchuldigung, daß ein uͤbrigens ſo ſchoͤn heran¬<lb/>
wachſendes Maͤdchen ſich nicht entwickeln, keine<lb/>
Faͤhigkeiten und keine Fertigkeiten zeigen wolle.<lb/>
Das wenige was ſie ſonſt noch hinzufuͤgt iſt<lb/>
gleichfalls fuͤr mich kein Raͤthſel, weil ich in<lb/>
dieſem lieben Kinde den ganzen Character ih¬<lb/>
rer Mutter, meiner wertheſten Freundinn,<lb/>
gewahr werde, die ſich neben mir entwickelt<lb/>
hat und deren Tochter ich gewiß, wenn ich<lb/>
Erzieherinn oder Aufſeherinn ſeyn koͤnnte, zu<lb/>
einem herrlichen Geſchoͤpf heraufbilden wollte.</p><lb/><p>Da es aber einmal nicht in unſern Plan<lb/>
geht, und man an ſeinen Lebensverhaͤltniſſen<lb/>
nicht ſo viel zupfen und zerren, nicht immer<lb/>
was neues an ſie heranziehen ſoll; ſo trag ich<lb/>
das lieber, ja ich uͤberwinde die unangenehme<lb/></p></div></body></text></TEI>
[27/0032]
mer nur Hymnen ſind uͤber die Vortrefflichkeit
eines ſolchen Kindes, die ich denn recht gut
in meine Proſe zu uͤberſetzen weiß: ſo iſt da¬
gegen, was ſie ſchließlich von Ottilien er¬
waͤhnt, nur immer Entſchuldigung auf Ent¬
ſchuldigung, daß ein uͤbrigens ſo ſchoͤn heran¬
wachſendes Maͤdchen ſich nicht entwickeln, keine
Faͤhigkeiten und keine Fertigkeiten zeigen wolle.
Das wenige was ſie ſonſt noch hinzufuͤgt iſt
gleichfalls fuͤr mich kein Raͤthſel, weil ich in
dieſem lieben Kinde den ganzen Character ih¬
rer Mutter, meiner wertheſten Freundinn,
gewahr werde, die ſich neben mir entwickelt
hat und deren Tochter ich gewiß, wenn ich
Erzieherinn oder Aufſeherinn ſeyn koͤnnte, zu
einem herrlichen Geſchoͤpf heraufbilden wollte.
Da es aber einmal nicht in unſern Plan
geht, und man an ſeinen Lebensverhaͤltniſſen
nicht ſo viel zupfen und zerren, nicht immer
was neues an ſie heranziehen ſoll; ſo trag ich
das lieber, ja ich uͤberwinde die unangenehme
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/32>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.