Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.ein ähnliches liebes Geschöpf bald auf ihrem Man hatte den Vorhang niedergelassen, Ottilien war in ihrer halb theatralischen ein aͤhnliches liebes Geſchoͤpf bald auf ihrem Man hatte den Vorhang niedergelaſſen, Ottilien war in ihrer halb theatraliſchen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0123" n="120"/> ein aͤhnliches liebes Geſchoͤpf bald auf ihrem<lb/> Schooße zu hoffen habe.</p><lb/> <p>Man hatte den Vorhang niedergelaſſen,<lb/> theils um den Vorſtellenden einige Erleichte¬<lb/> rung zu geben, theils eine Veraͤnderung<lb/> in dem Dargeſtellten anzubringen. Der<lb/> Kuͤnſtler hatte ſich vorgenommen, das erſte<lb/> Nacht- und Niedrigkeitsbild in ein Tag- und<lb/> Glorienbild zu verwandeln, und deswegen<lb/> von allen Seiten eine unmaͤßige Erleuchtung<lb/> vorbereitet, die in der Zwiſchenzeit angezuͤn¬<lb/> det wurde.</p><lb/> <p>Ottilien war in ihrer halb theatraliſchen<lb/> Lage bisher die groͤßte Beruhigung geweſen,<lb/> daß außer Charlotten und wenigen Hausge¬<lb/> noſſen Niemand dieſer frommen Kunſtmum¬<lb/> merey zugeſehen. Sie wurde daher einiger¬<lb/> maßen betroffen, als ſie in der Zwiſchenzeit<lb/> vernahm, es ſey ein Fremder angekommen,<lb/> im Saale von Charlotten freundlich begruͤßt.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [120/0123]
ein aͤhnliches liebes Geſchoͤpf bald auf ihrem
Schooße zu hoffen habe.
Man hatte den Vorhang niedergelaſſen,
theils um den Vorſtellenden einige Erleichte¬
rung zu geben, theils eine Veraͤnderung
in dem Dargeſtellten anzubringen. Der
Kuͤnſtler hatte ſich vorgenommen, das erſte
Nacht- und Niedrigkeitsbild in ein Tag- und
Glorienbild zu verwandeln, und deswegen
von allen Seiten eine unmaͤßige Erleuchtung
vorbereitet, die in der Zwiſchenzeit angezuͤn¬
det wurde.
Ottilien war in ihrer halb theatraliſchen
Lage bisher die groͤßte Beruhigung geweſen,
daß außer Charlotten und wenigen Hausge¬
noſſen Niemand dieſer frommen Kunſtmum¬
merey zugeſehen. Sie wurde daher einiger¬
maßen betroffen, als ſie in der Zwiſchenzeit
vernahm, es ſey ein Fremder angekommen,
im Saale von Charlotten freundlich begruͤßt.
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/123>, abgerufen am 16.07.2024. |