Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

Braut, als Frau, Hausfrau und Mutter,
immer steht sie isolirt, immer ist sie allein,
und will allein seyn. Ja die Eitle selbst ist
in dem Falle. Jede Frau schließt die andre
aus, ihrer Natur nach: denn von Jeder wird
alles gefordert, was dem ganzen Geschlechte
zu leisten obliegt. Nicht so verhält es sich
mit den Männern. Der Mann verlangt den
Mann; er würde sich einen zweyten erschaffen,
wenn es keinen gäbe: eine Frau könnte eine
Ewigkeit leben, ohne daran zu denken, sich
ihres Gleichen hervorzubringen.

Man darf, sagte Charlotte, das Wahre
nur wunderlich sagen; so scheint zuletzt das
Wunderliche auch wahr. Wir wollen uns
aus Ihren Bemerkungen das Beste heraus¬
nehmen und doch als Frauen mit Frauen zu¬
sammenhalten, und auch gemeinsam wirken,
um den Männern nicht allzu große Vorzüge
über uns einzuräumen. Ja Sie werden uns
eine kleine Schadenfreude nicht übel nehmen,

Braut, als Frau, Hausfrau und Mutter,
immer ſteht ſie iſolirt, immer iſt ſie allein,
und will allein ſeyn. Ja die Eitle ſelbſt iſt
in dem Falle. Jede Frau ſchließt die andre
aus, ihrer Natur nach: denn von Jeder wird
alles gefordert, was dem ganzen Geſchlechte
zu leiſten obliegt. Nicht ſo verhaͤlt es ſich
mit den Maͤnnern. Der Mann verlangt den
Mann; er wuͤrde ſich einen zweyten erſchaffen,
wenn es keinen gaͤbe: eine Frau koͤnnte eine
Ewigkeit leben, ohne daran zu denken, ſich
ihres Gleichen hervorzubringen.

Man darf, ſagte Charlotte, das Wahre
nur wunderlich ſagen; ſo ſcheint zuletzt das
Wunderliche auch wahr. Wir wollen uns
aus Ihren Bemerkungen das Beſte heraus¬
nehmen und doch als Frauen mit Frauen zu¬
ſammenhalten, und auch gemeinſam wirken,
um den Maͤnnern nicht allzu große Vorzuͤge
uͤber uns einzuraͤumen. Ja Sie werden uns
eine kleine Schadenfreude nicht uͤbel nehmen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0136" n="133"/>
Braut, als Frau, Hausfrau und Mutter,<lb/>
immer &#x017F;teht &#x017F;ie i&#x017F;olirt, immer i&#x017F;t &#x017F;ie allein,<lb/>
und will allein &#x017F;eyn. Ja die Eitle &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t<lb/>
in dem Falle. Jede Frau &#x017F;chließt die andre<lb/>
aus, ihrer Natur nach: denn von Jeder wird<lb/>
alles gefordert, was dem ganzen Ge&#x017F;chlechte<lb/>
zu lei&#x017F;ten obliegt. Nicht &#x017F;o verha&#x0364;lt es &#x017F;ich<lb/>
mit den Ma&#x0364;nnern. Der Mann verlangt den<lb/>
Mann; er wu&#x0364;rde &#x017F;ich einen zweyten er&#x017F;chaffen,<lb/>
wenn es keinen ga&#x0364;be: eine Frau ko&#x0364;nnte eine<lb/>
Ewigkeit leben, ohne daran zu denken, &#x017F;ich<lb/>
ihres Gleichen hervorzubringen.</p><lb/>
        <p>Man darf, &#x017F;agte Charlotte, das Wahre<lb/>
nur wunderlich &#x017F;agen; &#x017F;o &#x017F;cheint zuletzt das<lb/>
Wunderliche auch wahr. Wir wollen uns<lb/>
aus Ihren Bemerkungen das Be&#x017F;te heraus¬<lb/>
nehmen und doch als Frauen mit Frauen zu¬<lb/>
&#x017F;ammenhalten, und auch gemein&#x017F;am wirken,<lb/>
um den Ma&#x0364;nnern nicht allzu große Vorzu&#x0364;ge<lb/>
u&#x0364;ber uns einzura&#x0364;umen. Ja Sie werden uns<lb/>
eine kleine Schadenfreude nicht u&#x0364;bel nehmen,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[133/0136] Braut, als Frau, Hausfrau und Mutter, immer ſteht ſie iſolirt, immer iſt ſie allein, und will allein ſeyn. Ja die Eitle ſelbſt iſt in dem Falle. Jede Frau ſchließt die andre aus, ihrer Natur nach: denn von Jeder wird alles gefordert, was dem ganzen Geſchlechte zu leiſten obliegt. Nicht ſo verhaͤlt es ſich mit den Maͤnnern. Der Mann verlangt den Mann; er wuͤrde ſich einen zweyten erſchaffen, wenn es keinen gaͤbe: eine Frau koͤnnte eine Ewigkeit leben, ohne daran zu denken, ſich ihres Gleichen hervorzubringen. Man darf, ſagte Charlotte, das Wahre nur wunderlich ſagen; ſo ſcheint zuletzt das Wunderliche auch wahr. Wir wollen uns aus Ihren Bemerkungen das Beſte heraus¬ nehmen und doch als Frauen mit Frauen zu¬ ſammenhalten, und auch gemeinſam wirken, um den Maͤnnern nicht allzu große Vorzuͤge uͤber uns einzuraͤumen. Ja Sie werden uns eine kleine Schadenfreude nicht uͤbel nehmen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/136
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/136>, abgerufen am 21.11.2024.