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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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"Dießmal gestand er mir, daß es ihm
eben so gehe. Von der Natur, sagte er,
sollten wir nichts kennen, als was uns un¬
mittelbar lebendig umgiebt. Mit den Bäu¬
men die um uns blühen, grünen, Frucht
tragen, mit jeder Staude an der wir vorbey¬
gehen, mit jedem Grashalm über den wir
hinwandeln, haben wir ein wahres Verhält¬
niß, sie sind unsre ächten Compatrioten. Die
Vögel die auf unsern Zweigen hin und wieder
hüpfen, die in unserm Laube singen, gehören
uns an, sie sprechen zu uns, von Jugend
auf, und wir lernen ihre Sprache verstehen.
Man frage sich, ob nicht ein jedes fremde,
aus seiner Umgebung gerissene Geschöpf ei¬
nen gewissen ängstlichen Eindruck auf uns
macht, der nur durch Gewohnheit abgestumpft
wird. Es gehört schon ein buntes geräusch¬
volles Leben dazu, um Affen, Papageyen
und Mohren um sich zu ertragen."

"Manchmal wenn mich ein neugieriges
Verlangen nach solchen abenteuerlichen Din¬

„Dießmal geſtand er mir, daß es ihm
eben ſo gehe. Von der Natur, ſagte er,
ſollten wir nichts kennen, als was uns un¬
mittelbar lebendig umgiebt. Mit den Baͤu¬
men die um uns bluͤhen, gruͤnen, Frucht
tragen, mit jeder Staude an der wir vorbey¬
gehen, mit jedem Grashalm uͤber den wir
hinwandeln, haben wir ein wahres Verhaͤlt¬
niß, ſie ſind unſre aͤchten Compatrioten. Die
Voͤgel die auf unſern Zweigen hin und wieder
huͤpfen, die in unſerm Laube ſingen, gehoͤren
uns an, ſie ſprechen zu uns, von Jugend
auf, und wir lernen ihre Sprache verſtehen.
Man frage ſich, ob nicht ein jedes fremde,
aus ſeiner Umgebung geriſſene Geſchoͤpf ei¬
nen gewiſſen aͤngſtlichen Eindruck auf uns
macht, der nur durch Gewohnheit abgeſtumpft
wird. Es gehoͤrt ſchon ein buntes geraͤuſch¬
volles Leben dazu, um Affen, Papageyen
und Mohren um ſich zu ertragen.“

„Manchmal wenn mich ein neugieriges
Verlangen nach ſolchen abenteuerlichen Din¬

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[149/0152] „Dießmal geſtand er mir, daß es ihm eben ſo gehe. Von der Natur, ſagte er, ſollten wir nichts kennen, als was uns un¬ mittelbar lebendig umgiebt. Mit den Baͤu¬ men die um uns bluͤhen, gruͤnen, Frucht tragen, mit jeder Staude an der wir vorbey¬ gehen, mit jedem Grashalm uͤber den wir hinwandeln, haben wir ein wahres Verhaͤlt¬ niß, ſie ſind unſre aͤchten Compatrioten. Die Voͤgel die auf unſern Zweigen hin und wieder huͤpfen, die in unſerm Laube ſingen, gehoͤren uns an, ſie ſprechen zu uns, von Jugend auf, und wir lernen ihre Sprache verſtehen. Man frage ſich, ob nicht ein jedes fremde, aus ſeiner Umgebung geriſſene Geſchoͤpf ei¬ nen gewiſſen aͤngſtlichen Eindruck auf uns macht, der nur durch Gewohnheit abgeſtumpft wird. Es gehoͤrt ſchon ein buntes geraͤuſch¬ volles Leben dazu, um Affen, Papageyen und Mohren um ſich zu ertragen.“ „Manchmal wenn mich ein neugieriges Verlangen nach ſolchen abenteuerlichen Din¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/152>, abgerufen am 21.11.2024.