Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

gen anwandelte, habe ich den Reisenden be¬
neidet, der solche Wunder mit andern Wun¬
dern in lebendiger alltäglicher Verbindung
sieht. Aber auch er wird ein anderer Mensch.
Es wandelt niemand ungestraft unter Pal¬
men, und die Gesinnungen ändern sich gewiß
in einem Lande wo Elephanten und Tiger
zu Hause sind."

"Nur der Naturforscher ist verehrungs¬
werth, der uns das Fremdeste, Seltsamste, mit
seiner Localität, mit aller Nachbarschaft, jedes¬
mal in dem eigensten Elemente zu schildern
und darzustellen weiß. Wie gern möchte ich
nur einmal Humboldten erzählen hören."

"Ein Naturalien-Cabinet kann uns vor¬
kommen wie eine ägyptische Grabstätte, wo
die verschiedenen Thier- und Pflanzengötzen bal¬
samirt umherstehen. Einer Priester-Caste ge¬
ziemt es wohl, sich damit in geheimnißvollem
Halbdunkel abzugeben; aber in den allgemei¬

gen anwandelte, habe ich den Reiſenden be¬
neidet, der ſolche Wunder mit andern Wun¬
dern in lebendiger alltaͤglicher Verbindung
ſieht. Aber auch er wird ein anderer Menſch.
Es wandelt niemand ungeſtraft unter Pal¬
men, und die Geſinnungen aͤndern ſich gewiß
in einem Lande wo Elephanten und Tiger
zu Hauſe ſind.“

„Nur der Naturforſcher iſt verehrungs¬
werth, der uns das Fremdeſte, Seltſamſte, mit
ſeiner Localitaͤt, mit aller Nachbarſchaft, jedes¬
mal in dem eigenſten Elemente zu ſchildern
und darzuſtellen weiß. Wie gern moͤchte ich
nur einmal Humboldten erzaͤhlen hoͤren.“

„Ein Naturalien-Cabinet kann uns vor¬
kommen wie eine aͤgyptiſche Grabſtaͤtte, wo
die verſchiedenen Thier- und Pflanzengoͤtzen bal¬
ſamirt umherſtehen. Einer Prieſter-Caſte ge¬
ziemt es wohl, ſich damit in geheimnißvollem
Halbdunkel abzugeben; aber in den allgemei¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0153" n="150"/>
gen anwandelte, habe ich den Rei&#x017F;enden be¬<lb/>
neidet, der &#x017F;olche Wunder mit andern Wun¬<lb/>
dern in lebendiger allta&#x0364;glicher Verbindung<lb/>
&#x017F;ieht. Aber auch er wird ein anderer Men&#x017F;ch.<lb/>
Es wandelt niemand unge&#x017F;traft unter Pal¬<lb/>
men, und die Ge&#x017F;innungen a&#x0364;ndern &#x017F;ich gewiß<lb/>
in einem Lande wo Elephanten und Tiger<lb/>
zu Hau&#x017F;e &#x017F;ind.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Nur der Naturfor&#x017F;cher i&#x017F;t verehrungs¬<lb/>
werth, der uns das Fremde&#x017F;te, Selt&#x017F;am&#x017F;te, mit<lb/>
&#x017F;einer Localita&#x0364;t, mit aller Nachbar&#x017F;chaft, jedes¬<lb/>
mal in dem eigen&#x017F;ten Elemente zu &#x017F;childern<lb/>
und darzu&#x017F;tellen weiß. Wie gern mo&#x0364;chte ich<lb/>
nur einmal Humboldten erza&#x0364;hlen ho&#x0364;ren.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ein Naturalien-Cabinet kann uns vor¬<lb/>
kommen wie eine a&#x0364;gypti&#x017F;che Grab&#x017F;ta&#x0364;tte, wo<lb/>
die ver&#x017F;chiedenen Thier- und Pflanzengo&#x0364;tzen bal¬<lb/>
&#x017F;amirt umher&#x017F;tehen. Einer Prie&#x017F;ter-Ca&#x017F;te ge¬<lb/>
ziemt es wohl, &#x017F;ich damit in geheimnißvollem<lb/>
Halbdunkel abzugeben; aber in den allgemei¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[150/0153] gen anwandelte, habe ich den Reiſenden be¬ neidet, der ſolche Wunder mit andern Wun¬ dern in lebendiger alltaͤglicher Verbindung ſieht. Aber auch er wird ein anderer Menſch. Es wandelt niemand ungeſtraft unter Pal¬ men, und die Geſinnungen aͤndern ſich gewiß in einem Lande wo Elephanten und Tiger zu Hauſe ſind.“ „Nur der Naturforſcher iſt verehrungs¬ werth, der uns das Fremdeſte, Seltſamſte, mit ſeiner Localitaͤt, mit aller Nachbarſchaft, jedes¬ mal in dem eigenſten Elemente zu ſchildern und darzuſtellen weiß. Wie gern moͤchte ich nur einmal Humboldten erzaͤhlen hoͤren.“ „Ein Naturalien-Cabinet kann uns vor¬ kommen wie eine aͤgyptiſche Grabſtaͤtte, wo die verſchiedenen Thier- und Pflanzengoͤtzen bal¬ ſamirt umherſtehen. Einer Prieſter-Caſte ge¬ ziemt es wohl, ſich damit in geheimnißvollem Halbdunkel abzugeben; aber in den allgemei¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/153
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/153>, abgerufen am 21.11.2024.