die zerstörte Symmetrie mancher Baumkrone. Sie machte ihm Muth, daß sich das alles bald wieder herstellen werde; aber er hatte zu ein tiefes Gefühl, zu einen reinen Begriff von seinem Handwerk, als daß diese Trost¬ gründe viel bey ihm hätten fruchten sollen. So wenig der Gärtner sich durch andere Lieb¬ habereyen und Neigungen zerstreuen darf, so wenig darf der ruhige Gang unterbro¬ chen werden, den die Pflanze zur dauern¬ den oder zur vorübergehenden Vollendung nimmt. Die Pflanze gleicht den eigensinni¬ gen Menschen, von denen man alles erhalten kann, wenn man sie nach ihrer Art behan¬ delt. Ein ruhiger Blick, eine stille Conse¬ quenz, in jeder Jahrszeit, in jeder Stunde das ganz Gehörige zu thun, wird vielleicht von Niemand mehr als vom Gärtner ver¬ langt.
Diese Eigenschaften besaß der gute Mann in einem hohen Grade, deswegen auch Ottilie
die zerſtoͤrte Symmetrie mancher Baumkrone. Sie machte ihm Muth, daß ſich das alles bald wieder herſtellen werde; aber er hatte zu ein tiefes Gefuͤhl, zu einen reinen Begriff von ſeinem Handwerk, als daß dieſe Troſt¬ gruͤnde viel bey ihm haͤtten fruchten ſollen. So wenig der Gaͤrtner ſich durch andere Lieb¬ habereyen und Neigungen zerſtreuen darf, ſo wenig darf der ruhige Gang unterbro¬ chen werden, den die Pflanze zur dauern¬ den oder zur voruͤbergehenden Vollendung nimmt. Die Pflanze gleicht den eigenſinni¬ gen Menſchen, von denen man alles erhalten kann, wenn man ſie nach ihrer Art behan¬ delt. Ein ruhiger Blick, eine ſtille Conſe¬ quenz, in jeder Jahrszeit, in jeder Stunde das ganz Gehoͤrige zu thun, wird vielleicht von Niemand mehr als vom Gaͤrtner ver¬ langt.
Dieſe Eigenſchaften beſaß der gute Mann in einem hohen Grade, deswegen auch Ottilie
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die zerſtoͤrte Symmetrie mancher Baumkrone.
Sie machte ihm Muth, daß ſich das alles
bald wieder herſtellen werde; aber er hatte
zu ein tiefes Gefuͤhl, zu einen reinen Begriff
von ſeinem Handwerk, als daß dieſe Troſt¬
gruͤnde viel bey ihm haͤtten fruchten ſollen.
So wenig der Gaͤrtner ſich durch andere Lieb¬
habereyen und Neigungen zerſtreuen darf,
ſo wenig darf der ruhige Gang unterbro¬
chen werden, den die Pflanze zur dauern¬
den oder zur voruͤbergehenden Vollendung
nimmt. Die Pflanze gleicht den eigenſinni¬
gen Menſchen, von denen man alles erhalten
kann, wenn man ſie nach ihrer Art behan¬
delt. Ein ruhiger Blick, eine ſtille Conſe¬
quenz, in jeder Jahrszeit, in jeder Stunde
das ganz Gehoͤrige zu thun, wird vielleicht
von Niemand mehr als vom Gaͤrtner ver¬
langt.
Dieſe Eigenſchaften beſaß der gute Mann
in einem hohen Grade, deswegen auch Ottilie
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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/172>, abgerufen am 21.11.2024.
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