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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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und ihren Blick wegwenden durfte ja mußte
von dem was sie nicht sehen mochte und
sollte, Ottilie ward durch diese traulichen
Reden in den schrecklichsten Zustand versetzt:
denn es zerriß mit Gewalt vor ihr der an¬
muthige Schleyer, und es schien ihr, als
wenn alles was bisher für Haus und Hof,
für Garten, Park und die ganze Umgebung
geschehen war, ganz eigentlich umsonst sey,
weil der dem es alles gehörte, es nicht ge¬
nösse, weil auch der, wie der gegenwärtige
Gast, zum Herumschweifen in der Welt und
zwar zu dem gefährlichsten, durch die Lieb¬
sten und Nächsten gedrängt worden. Sie
hatte sich an Hören und Schweigen gewöhnt,
aber sie saß dießmal in der peinlichsten Lage,
die durch des Fremden weiteres Gespräch eher
vermehrt als vermindert wurde, das er mit
heiterer Eigenheit und Bedächtlichkeit fortsetzte.

Nun glaub' ich, sagte er, auf dem rech¬
ten Wege zu seyn, da ich mich immerfort als

und ihren Blick wegwenden durfte ja mußte
von dem was ſie nicht ſehen mochte und
ſollte, Ottilie ward durch dieſe traulichen
Reden in den ſchrecklichſten Zuſtand verſetzt:
denn es zerriß mit Gewalt vor ihr der an¬
muthige Schleyer, und es ſchien ihr, als
wenn alles was bisher fuͤr Haus und Hof,
fuͤr Garten, Park und die ganze Umgebung
geſchehen war, ganz eigentlich umſonſt ſey,
weil der dem es alles gehoͤrte, es nicht ge¬
noͤſſe, weil auch der, wie der gegenwaͤrtige
Gaſt, zum Herumſchweifen in der Welt und
zwar zu dem gefaͤhrlichſten, durch die Lieb¬
ſten und Naͤchſten gedraͤngt worden. Sie
hatte ſich an Hoͤren und Schweigen gewoͤhnt,
aber ſie ſaß dießmal in der peinlichſten Lage,
die durch des Fremden weiteres Geſpraͤch eher
vermehrt als vermindert wurde, das er mit
heiterer Eigenheit und Bedaͤchtlichkeit fortſetzte.

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[191/0194] und ihren Blick wegwenden durfte ja mußte von dem was ſie nicht ſehen mochte und ſollte, Ottilie ward durch dieſe traulichen Reden in den ſchrecklichſten Zuſtand verſetzt: denn es zerriß mit Gewalt vor ihr der an¬ muthige Schleyer, und es ſchien ihr, als wenn alles was bisher fuͤr Haus und Hof, fuͤr Garten, Park und die ganze Umgebung geſchehen war, ganz eigentlich umſonſt ſey, weil der dem es alles gehoͤrte, es nicht ge¬ noͤſſe, weil auch der, wie der gegenwaͤrtige Gaſt, zum Herumſchweifen in der Welt und zwar zu dem gefaͤhrlichſten, durch die Lieb¬ ſten und Naͤchſten gedraͤngt worden. Sie hatte ſich an Hoͤren und Schweigen gewoͤhnt, aber ſie ſaß dießmal in der peinlichſten Lage, die durch des Fremden weiteres Geſpraͤch eher vermehrt als vermindert wurde, das er mit heiterer Eigenheit und Bedaͤchtlichkeit fortſetzte. Nun glaub' ich, ſagte er, auf dem rech¬ ten Wege zu ſeyn, da ich mich immerfort als

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/194>, abgerufen am 24.11.2024.